Wir bleiben zwei Nächte in Kashgar. Die Stadt ist es als Knotenpunkt der Seidenstraße mit Sicherheit wert. Wer jetzt denkt, wir hätten einen Ruhetag, der irrt gewaltig. Nach den vielen Stunden im Bus in der letzten Woche können wir nun besichtigungsmäßig aufrüsten, denken wir. Aber unsere Reiseführer haben Anderes im Sinn. Vormittags gibt es den sicherlich sehenswerten Basar. Nach dem Mittagessen steht aber die Id-Kah Moschee und eine Teppichknüpferei auf dem Programm. Die Moschee liegt ganz in der Nähe des Hotels, die können wir auch auf eigene Faust besuchen. Einer von uns hat glücklicherweise den Reiseführer gelesen und möchte unbedingt die Altstadt sehen. Zu dritt überzeugen wir den Reiseführer und laufen die zwanzig Minuten zur Moschee. Danach geht es hinein ins Einkaufszentrum, auf der anderen Seite hinaus, und wir wähnen uns schon in der Altstadt. Es ist aber wohl eher ein kleiner Basar, der Altstadt vorgelagert. Die Übergänge sind aber fließend. Das Gewirr der Gassen nimmt zu. Wir haben nur die sehr kleine Karte aus dem Reiseführer im Kopf, die uns die Richtung vorgibt. Irgendwann landen wir in einem Innenhof, der vier Zugänge hat. Nacheinander laufen wir die restlichen drei ab, allesamt Sackgassen. Also zurück, neu orientieren, und weiter. Plötzlich gibt es Lärm hinter uns. Eine junge Dame kommt aus einem kleinen Häuschen geflitzt und erklärt uns in Englisch, wir müssten Eintritt bezahlen, umgerechnet 3 Euro pro Person. Wir bezahlen, und es stellt sich heraus, dass sie ab jetzt unsere Führerin ist. Obwohl das Areal nur ungefähr 2 km² groß ist, dauert die Führung doch anderthalb Stunden. Allerdings habe ich zuweilen den Eindruck, wir passieren manche Stellen zweimal. Egal, ich habe die Orientierung jedenfalls zwischenzeitlich komplett verloren. Schön ist es, mit ihr in Wohnhäuser und sogar in eine kleine Schule hineingehen zu können. Manche Räume kommen uns dekoriert vor, aber die meisten werden wohl tatsächlich genutzt. Die Eintrittskarte vermeldet stolz, 10.000 islamische Uiguren sollen in dem Gewirr leben in meist zweistöckigen Lehmhäusern, häufig mehrere Generationen unter einem Dach. Die Geschichte der Altstadt reicht zweitausend Jahre zurück.
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