1962 Opel Kadett A
Opel zielt besonders auch mit dem Preis auf den erfolgreichen VW-Käfer. Man wählt gegenüber dem Kadett von 1936 eine komplette
Neukonstruktion und
testet diese ausführlich,
um nach dem Serienanlauf ja nicht durch Defekte aufzufallen. Als er dann auf der Bildfläche erscheint, kann ihm nur noch mangelnder Bekanntheitsgrad schaden, denn gegenüber dem Käfer hat er fast nur Vorteile.
Da ist zunächst eine äußerst übersichtliche Karosserie mit einem vergleichsweise riesigen Kofferraum. Der Kombi ermöglicht zusätzliche Ladekapazität und leichte Beladungsmöglichkeit. Der Kadett hat trotz der
eckigen Form einen gegenüber dem viel windschnittiger aussehenden Käfer kaum mehr Luftwiderstand, denn seine größere Höchstgeschwindigkeit entspricht in etwa der höheren Leistung. In der Beschleunigung
ist er in jedem Fall besser. Der gesamte Wagen ist durch seine selbsttragende Karosserie leichter und ergibt mit dem besseren Motorwirkungsgrad einen günstigeren Verbrauch. Außerdem ist der Motor leiser und
hat die wirksamere Heizung.
Der neue Kadett muss sich seine Meriten noch verdienen. Er ist schon auf Anhieb sehr erfolgreich, aber sein noch stärkerer Durchbruch kommt mit dem
nächsten
Modell. Außerdem
ist die Karosserie wohl rostanfälliger als die des Käfers. Man sieht es heute an der Zahl der überlebenden Fahrzeuge. Auch ganz so reparaturgünstig ist er wegen seiner angeschweißten Kotflügel nicht. Dafür hat er
z.B. durch das Fehlen jeglicher Schmiernippel den geringeren Wartungsaufwand.
An allen Ecken versucht der Kadett mit dem VW-Käfer zu konkurrieren. Z.B. wenn man darauf hinweist, dass zum Tanken der Kofferraum nicht geöffnet werden muss, demnach auch kein Brenzingeruch dort
eindringen kann. Oder wenn der Ölfilter im Hauptstrom ausdrücklich erwähnt wird, weil der Käfer so etwas nicht hat (und trotzdem hält). Natürlich stellt man die gegenüber der VW-Karosserie vorteilhafte
Rangierbarkeit heraus und das wesentlich einfachere Beladen des Kofferraums. Man wirbt mit viel Glas, das einen hellen Innenraum erzeugt und einer (natürlich wieder gegenüber dem Käfer) geruchsfreien
Heizung. Beim "Leitfaden-Tachometer" wird der sogenannte Fortschritt besonders deutlich. Hier ändert sich, genau wie beim Mercedes 190
jener Zeit, die Farbe
des Anzeigebalkens je nach Fahrgeschwindigkeit. Daran kann man dann auch die bessere Beschleunigung ablesen, die auf 90 kg Mindergewicht beruht. Der Kadett hat halt eine vollständig selbsttragende
Karosserie, der VW noch ein Chassis.
Man gibt sich sogar Mühe, das doch recht einfache Fahrwerk sogar noch als Vorteil des Wagens zu verkaufen. Der Kadett hat eine starre, blattgefederte
Hinterachse, deren
Kardanantrieb nicht unabhängig vom Federverhalten ist. Über ein Rohr um die Kardanwelle stützt sich die Hinterachse auf deren Mittellager ab. Dadurch verspannen Beschleunigungs- oder Bremsmomente die
Federn nicht so sehr, einseitges Einfedern schon. Opel verkauft das als Stabilisatorwirkung. Natürlich erwähnt man die größeren ungefederten Massen der Achse nicht. Trotzdem ist die Trampelneigung auch wegen
der relativ harten Federung gering.
Sie werden sich fragen, woher denn die 35 kW (48 PS) der S-Version kommen. Dieser hat einen höher verdichteten Motor für Superbenzin. Änderungen am Ventilhub und an den Ventilfedern verhelfen ihm zu einem
höheren Drehzahlniveau. In der Praxis wirkt er lebendiger, aber nicht lauter. Die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h ist eine sehr vorsichtige Werksangabe. Insgesamt wird besonders der S-Version ein gutes
Zeugnis ausgestellt. Dies noch mehr, wenn man den hart kalkulierten Preis betrachtet.
Für das Ruhrgebiet ist der neue Kadett fast (über-)lebenswichtig. Schon seit einiger Zeit wird dort immer weniger Kohle gefördert und damit steigt die Arbeitslosigkeit massiv. Die Produktion in Rüsselsheim platzt
aus allen Nähten. Bochum bewirbt sich erfolgreich als Standort für die neue Fabrik. Opel investiert ca. 1,3 Milliarden DM. Die Einweihung trifft mit dem 100jährigen Opel-Jubiläum zusammen. Die Produktion kann
rasch hochgefahren werden. Damit hat Nordrhein-Westfalen wieder einmal einen Teil der schwierigen Umstrukturierung geschafft. Und Opel wird zur Automarke, die für lange Zeit im Ruhrgebiet einen festen
Käuferstamm hat.
Schon einmal hat es bei Opel die Möglichkeit gegeben, ein neues Auto komplett zusammen mit einer neuen Fertigung zu gestalten, beim Opel Laubfrosch.
Insgesamt kommt so
eine Situation in der Automobilindustrie nicht so häufig vor. Wenn man hier noch die Erfahrung der Mutterfirma GM berücksichtigt, kann man die Chancen erahnen, die mit der Einführung des neuen Kadett genutzt
werden können. Nach entsprechender Abschreibung werden sich die niedrigen Produktionskosten besonders stark in den Büchern ausgewirkt haben. 01/07
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