 Renault 4
Gewiss, es gab schon vorher Fronttriebler. Auch welche mit Längsmotor. Aber doch ist der R4 von 1961 etwas Besonderes. Obwohl man es ihm nicht ansieht, stammt er vom Renault 4 CV ab, einem Hecktriebler mit Motor hinter der Hinterachse. Diese Antriebseinheit wird nach vorne verschoben, wodurch ein Frontantrieb mit Getriebe vor
und einer Art Mittelmotor hinter der Vorderachse entsteht. Als zusätzlichen Vorteil erhält man einen großen Radstand und viel Fahrkomfort. Natürlich gibt es auch hier ein Vorbild, den Citroen Traction Avant, aber nicht in der Kleinwagenklasse und mit großer Heckklappe. Doch trotz kleiner Außenmaße sitzen vier Personen einigermaßen bequem. Hinzu
kommt eine für damalige Verhältnisse gute Wintertauglichkeit.
Mit 8 Mio. Frankreichs meist verkauftes Auto ... |
Trotz der Übernahme bewährter Teile gibt es doch Probleme. So muss z.B. die Schaltung durch einen S-förmig gebogenen Schiebedrehhebel realisiert werden, der vom Innenraum aus über den Motor hinweg auf
das Getriebe greift. Der Hebel wird von nicht besonders wohlmeinenden Zeitgenossen "Krückstock" genannt, die Schaltung mit einem Revolver verglichen. Sie funktioniert jedoch genauso wie ein Schalthebel etliche
Zentimeter tiefer und ist eher noch leichtgängiger.
Das zweite Problem erweist sich ebenfalls als lösbar, müssen doch alle Antriebe, z.B. der vom Gleichstrom-Generator auf die Getriebeseite verlegt werden. Problematisch ist offenbar dabei dessen Drehrichtung. Um
die beizubehalten, ändert man die des Motors und dreht das Tellerrad auf die andere Seite des Kegelrades. Es bleibt zum Fahrgastraum hin ein völlig gekapselter Motor, bei dem allerdings eine Kette die
Nockenwelle antreibt statt der Kunststoff-Zahnräder beim 4 CV. Insgesamt ragt er allerdings weit in den Innenraum hinein.
Die dritte Veränderung wird mit der Zeit zum wirklichen Problem. Denn vorne sind Antriebswellen eingebaut, die sowohl die (bei französischen Autos übliche) langhubige Federung als auch den Lenkradeinschlag
kompensieren sollen. Sie werden zu den teuersten Ersatzteilen des R4 und bei den ersten Exemplaren auch oft mehrmals gebraucht. Erst langsam wird man lernen, haltbare Gelenke mit Dauerfettfüllung zu bauen.
Das seltene Antriebskonzept wird später auch dem R5 und dem R16 vererbt.
Noch eine Besonderheit gefällig? Würden Sie glauben, dass es Autos mit unterschiedlichem Radstand rechts und links gibt? Der R4 ist ein solcher, weil er hinten über die volle Wagenbreite für je ein Hinterrad
Drehstäbe hat. Beim Käfer sind diese nur halb so lang und passen prima nebeneinander. Aber für eine komfortable Federung ordnen die französischen Ingenieure sie hintereinander an. Bei gleich langen
Längslenkern kommen dabei natürlich Radstandsunterschiede heraus. Geschickter hat man das gleiche Problem später beim Simca 1100
gelöst.
Der Renault R4 ist also weltweit das erste Fahrzeug mit Frontantrieb und großer Heckklappe. Er schafft es zum Kultobjekt, kann aber den Citroen 2 CV nie vom ersten Zulassungsplatz verdrängen. Obwohl beide auf
einer mit Rahmen verschraubten Karosserie aufbauen, ist die Ente bei Karosserieschäden noch einen Tick reparaturfreundlicher. In der Rostanfälligkeit unterscheiden sich beide nicht sehr, sie werden für wenig
Geld produziert. Leider ändert sich das auch nicht wirklich, als der R4 erwachsener und damit teurer wird. 06/09
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