Heinrich Nordhoff, der erste VW-Chef nach dem Krieg, gilt weithin nicht gerade als Erneuerer, sondern eher als unbedingter Bewahrer. Man wirft ihm z.B. vor, zu lange am Prinzip des Heckmotors mit Luftkühlung festgehalten zu haben. Schaut man genauer hin, dann sind unter seiner Egide doch nicht nur Prototypen ohne Serienrelevanz entstanden. Da ist die zurzeit (2011) sehr betonte Beziehung zu Karmann oder der Kauf von Audi und die Entwicklung der Oberklasse (Audi 100). In diese Kategorie gehört auch das Werk in Brasilien, dessen neuem Chef Rudolf Leiding er ab 1968 viel Freiheit ließ (oder lassen musste?). Eines der Produkte dieser Freiheit ist der Sao Paulo. An der Deutung dieser beiden Buchstaben bestehen allerdings Zweifel. Ein Chef muss seinen Designern und Technikern auch einmal freien Lauf lassen, sonst gerät deren Motivation für die Alltagsarbeit schnell an ein Ende. Dem Werk in Brasilien geht es zu der Zeit schlecht und das Ganze ist (eine von) Leidings Bewährungsproben, die ihn schließlich zum Chefsessel bei VW führen werden. Doch zurück zur Aufgabe, aus möglichst vielen Serienteilen einen Sportwagen zu bauen. Wir wissen nicht so sehr viel über den Geschmack des brasilianischen Publikums, können aber schon sagen, dass die Karosserie verglichen mit anderen VW-Derivaten jener Zeit einen deutlich sportlich-emotionalen Touch hat. Übrigens wird sie in Brasilien von einem Zweigwerk von Karmann in Osnabrück gefertigt. Leider kann der Motor nicht mithalten, da er vom VW-Typ-3 stammt, samt Chassis, übrigens nicht vom deutschen Typ 3 sondern im Prinzip vom Käfer. So bleibt dem SP-1 bei 40 kW (54 PS) ein Mauerblümchen-Dasein nicht erspart. Zum Glück hat Generaldirektor Nordhoff den Brasilianern auch schon vor Leidings Zeit manche Freiheit gelassen. So existiert ein Motor mit größerem Hubraum für den dortigen Typ 3 und der kommt gerade recht, bringt den Wagen auf akzeptable Sportwagen-Fahrleistungen. Der Erfolg des SP-2 gibt dem Sportwagen-Konzept die nötige Würze. Schade nur, dass Europa nie von dieser VW-Entwicklung profitiert. Wenige versuchen, ihn zu importieren, was natürlich bei den schwierigen Werks- und Zollbestimmungen nur als Gebrauchtwagen möglich ist. Da kann man die (selbst gewählten) Leiden eines Oldtimer-Fans buchstäblich in Zeitlupe miterleben. Wobei es sich wegen des vergleichsweise jugendlichen Alters noch nicht einmal um echte Oldtimer handelt. Aber ihr Zustand ist denen entsprechend oder schlimmer. Es scheint in Brasilien Virtuosen der Blechnachbildung zu geben, die auch nicht davor zurückschrecken eine tolle Lackierung auf ein marodes Innenleben zu legen. Wehe, man lässt sich davon täuschen. Dann ist Blechnachbildung im Kleinstformat gefordert, was natürlich unendlich viel Zeit (und evtl. Geld) kostet. Zusätzlich kommen die Probleme mit Bauteilen, die man eigentlich für baugleich mit denen hiesiger VW-Typen hält, die es aber nur in Brasilien gibt. Es soll Reisen nach Brasilien wegen Kennzeichenleuchten gegeben haben. Deshalb, liebe Leser, sollte Ihnen das ungewöhnlich glückliche Schicksal zuteil werden, einer der äußerst seltenen SP-2 (natürlich außer dem von der Stiftung Volkswagenwerk) zu begegnen, klopfen Sie dem Eigner noch einmal extra auf die Schultern, weil er einen vielleicht etwas übereilten Jugendtraum wirklich und wahrhaftig zu einem erfolgreichen Ende geführt hat. Und warum hat das Werk nicht selbst diesen Wagen hier in Europa angeboten? Dann hätte natürlich die Tochter der Mutter etwas voraus gehabt und so weit gehen deren Freiheiten unter Nordhoffs Regentschaft nun doch nicht. Erst sehr viel später gelingt es Audi, auf verschiedenen Gebieten VW zu übertrumpfen. Nicht immer vorteilhaft, denn manche Entwicklung muss daraufhin an die Mutter abgegeben werden (Beispiel: Diesel-Direkteinspritzung). 03/11