VW-Geschichte 10
Dr. Piëchs in die Presse lancierte Distanz zu Winterkorn hat mehr Staub aufgewirbelt, als eigentlich in der Bemerkung 'Ich bin auf Distanz zu Winterkorn' steckt. Ob das von ihm gewollt oder gar vorhergesehen worden
ist, sei dahingestellt. Wir wollen uns hier nicht mit den Folgen, sondern mehr mit den möglichen Ursachen für diesen Weckruf beschäftigen.
Natürlich kennen wir die genauen Gründe für den Weckruf nicht. Man kann aber diesen Konflikt nutzen, eigene Erkenntnisse über die Schwachstellen des VW-Konzerns auszubreiten. Gehen wir dabei nicht unbedingt
von rapide sinkenden Zuwachsraten in China aus, die den Bau und Betrieb von 6 neuen Werken bis 2018 in ein schlechtes Licht tauchen würden.
Eine ganze Milliarde wird auch gerade in USA investiert. Weiß man, ob sich die Gunst der Käufer dort im erhofften Maße wieder VW zuwendet? Reicht dafür ein Jumbo als SUV aus? VWs Domäne scheint die
Mittelklasse mit Hang zum Oberklasseniveau zu sein. Aber fressen sich nicht Töchter und Mutter gegenseitig? Ein Skoda Superb rückt dem VW Passat auf den Leib und der hamstert vielleicht in zwei Audi-Klassen.
Es gibt eine Menge von Abhängigkeiten. So z.B. die zum chinesischen Markt (Bild 2-9), die europäische Kunden irgendwann auch eifersüchtig machen könnte. Weiterhin ist da die Steuerpolitik, die den Passat zu 90
Prozent als Firmenwagen leben lässt. Und überhaupt, wird das alles nicht irgendwann zu teuer? Wer weiß denn, wo der nächste Bugatti noch hin will? Und dann die Firma Porsche mit ihren z.T. völlig unerklärlichen
Preissprüngen.
Da freuen sich die Werkseigenen über mehr als 8000 Euro Ende 2014 und sogar die Leiharbeiter sollen etwas abbekommen haben. Aber wie lange zahlen die Reichen noch diese Preise z.B. für einen 911? Und wird
da nicht eine zweifellos hervorragende Renntradition bis auf den letzten Tropfen ausgekostet, ohne dass sie wirklich neue Nahrung erhält? Was ist davon zu halten, wenn sich zwei Konzerntöchter in Le Mans um den
gleichen Titel streiten? Wer bezahlt den Überdruss letztlich?
Apropos Geld, wie lange redet man schon von einem wirklich preiswerten Einstiegsmodell? Es muss ja nicht, wie Renaults Dacias auch direkt im Herzen Europas erfolgreich sein? Hat die Präsenz von VW in Brasilien
denn nicht auch und besonders durch das Fehlen von solchen Modellen gelitten? Welch ein Ruf wird da gerade verspielt? Man sollte uns nicht mit dem Missgeschick der Zusammenarbeit mit Suzuki vertrösten,
sondern die Ärmel hochkrempeln.
Geldverschwendung. Spielt das Thema auch eine Rolle, wenn man an den Kauf der widerspenstigen Scania denkt? Und dann diese einfache Idee potentieller Nachfolger von Winterkorn, man müsse den Konzern nur
teilen und schon sei alles überschaubarer. Piëch selbst legt in seiner Biografie dar, wie mühsam das Zusammenschmieden war und wie lange sich kostenträchtige Eigenheiten gehalten haben. Da ist eine
komplexere Lösung als nur die Trennung nach Firmen gefragt.
Das ist ja auch so eine auf den ersten Blick pfiffige Idee, dem Kunden alle möglichen Alternativen anzubieten und ihn dann selbst entscheiden zu lassen. Toyota macht es anders, stellt jetzt die Brennstoffzelle nach
vorn und fährt den Hybridantrieb langsam zurück, ohne den Profit aus ihrer noch vorhandenen Vormachtstellung aus dem Blick zu verlieren. VW bietet viele Varianten an und beherrscht noch nicht einmal im Mutterwerk
völlig die Produktion dieses Durcheinanders.
Schade ist, dass dem Konzern etwas die Ideen ausgehen. Die schon vor längerer Zeit eingekauften Design-Ikonen haben ihr Werk sicherlich beachtenswert (Bild 1) vollbracht, aber man hat ein wenig das Gefühl von
Stillstand. Das gilt übrigens nicht nur für die Mutter VW, auch Audi könnte sich da eine Scheibe abschneiden, Škoda und vielleicht auch Seat eher ausgenommen. Bei Audi produziert man schon aus lauter
Getriebensein tiefergelegte SUVs mit rennmäßiger Motorausstattung.
Und dann diese Triebwerke. Hervorragendes ist hier geleistet worden, aber bei 10 Gängen automatisch und sieben Gängen handgeschaltet ist wohl endgültig Schluss. Wohin wollt Ihr noch? Den durch Aufladung
immer größeren Literleistungen setzt das Downsizing bei drei Zylindern eine unerbittliche Grenze. Und was über vier Zylinder hinausgeht, ist schon fast nur etwas für übertrieben Leistungsbewusste. Die fallen dann
auch bei der CO2-Berechnung nicht so wahnsinnig ins Gewicht.
Aber wohin der Zug außer durch Feintuning noch hin soll, das ist nicht wirklich ersichtlich. Man erinnert sich mit Wehmut der Zeiten, als Audi ein technisches Problem nach dem anderen anpackte und überzeugend
löste. So entstanden quattro, Alu-Karosserie und Direkteinspritzung, auch wenn sie dabei nicht die ersten waren. Ferdinand Piëch wird sich vielleicht etwas wehmütig an diese Zeiten erinnern und auch nur Teile davon
heute vermissen. 02/19
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