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Fichtel & Sachs



Fichtel & Sachs, da kommen 1895 Geld und Sachverstand zusammen. Karl Fichtel übernimmt den kaufmännischen und Ernst Sachs den technischen Part. So ungefähr kann man sich das vorstellen. Zusätzlich stellt Fichtels Schwiegervater in schweren Zeiten erhebliche Zuschüsse für die Firma bereit.

Aber Karl Fichtel hat das Talent des Ernst Sachs richtig erkannt und hält auch in schwierigen Zeiten an der Firma fest. Man vermeidet die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, die beide am Ende zu rechtlosen Angestellten unter der Führung der von den Banken eingesetzten Managern machen würde.

Sachs ist zur Zeit der Firmengründung 27 Jahre alt. Er hat zwar nach einem schweren Fahrradunfall fast ein Jahr pausieren müssen, es würden ihm aber als Angestellter viele Türen offen stehen, so groß ist sein Renommee als Techniker. Doch er entscheidet sich für den deutlich härteren Weg in die Selbstständigkeit.

Eine Erfindung ermöglicht ihm diesen Schritt. Es ist die kugelgelagerte Radnabe, die Fahrwiderstände vermeidet und das in dieser Zeit vorherrschende Niederrad noch leichter bedienbar macht. Relativ rasch wird diese Nabe weiter entwickelt. Sie erhält einen Freilauf und etwas später auch noch eine Rücktrittbremse.

Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass man bis zu Sachs' Erfindung bergab mittreten musste oder die Füße hoch nehmen und der (nicht besonders effektiv) wirkenden Klotzbremse vertrauen musste. Allerdings sind die ersten Sachs-Naben noch nicht vollkommen ausgereift. Erst die nach russischen Kriegswaffen benannten Torpedo-Naben können ab etwa 1903 den entscheidenden Durchbruch erzielen.

Und warum ist das Fahrrad so wichtig, wo es doch eigentlich für den normalen Arbeiter unerschwinglich ist? Nun, immerhin bietet es die Möglichkeit, sich individuell aus der gewohnten Umgebung hinaus zu bewegen, evtl. sogar über Landesgrenzen hinweg. Und wenn es einmal gekauft ist, auch einigermaßen preiswert. In der Praxis allerdings dient es in jener Zeit mehr als Instrument des Sports.

Die Firma Fichtel & Sachs ist nicht die einzige Firma im Kfz-Bereich, deren Wurzeln auf dem Fahrrad beruhen. Denken Sie nur an die Opel- und Davidson-Brüder oder die Gründer von Wanderer. Die Kfz-Produktion kommt oft halt über die von motorisierten Fahrrädern. So ist es nicht verwunderlich, dass Ernst Sachs über den Radsport z.B. mit Wilhelm v. Opel bestens bekannt ist.

Standort dieses Erfolgs ist Schweinfurt, mitten in Unterfranken (Nordbayern) gelegen. Die Stadt wächst mit ihren Firmen, wozu z.B. auch Kugelfischer gehört. Womit wir beim sehr wichtigen Thema "Kugellager" wären. Denn neben den später berühmten Kupplungen, Stoßdämpfern, Moped-Zweitaktern, Stationärmotoren und der Torpedo-Nabe, spielen die Kugellager bis 1929 die Hauptrolle.

Vor dem Ende des 19. Jahrhunderts können sich auch Ingenieure eine Alternative zum Wälzlager nicht so recht vorstellen. Natürlich weiß man um die Wirkungsgradvorteile des Kugellagers, aber zu groß sind die Ängste, es könnte auch nur mittleren Belastungen nicht gewachsen sein. Doch dann ist die Zeit reif, die Welt der Lager in einem Prozess mit langem Atem zu revolutionieren.

Schon hundert Jahre alt ist das Patent auf Rillenkugellager. Seine Anwendung scheitert aber letztlich an Problemen mit dem Material und der Fertigung z.B. der Kugeln. Diese löst man jetzt nach und nach in Schweinfurt, wo sowohl die Firma von Hans Sachs (mit Karl Fichtel) als auch die mit Beteiligung seines Schwiegervaters Fries & Höpflinger und sehr entscheidend die von Friedrich (Kugel-) Fischer.

Die drei Firmen bleiben in dem Boom um Kugellager nicht lange allein, es werden ca. 30 bis zur Jahrhundertwende. Nach Preiskämpfen entsteht so etwas wie ein Kartell, bei dem die deutsche Wirtschaft eine Führungsrolle übernimmt. Das endet abrupt mit dem Ersten Weltkrieg, der Weltmarkt ist verloren. Immerhin besteht das Kartell noch, aber die jetzt führende Rolle haben die erst 1907 gegründeten Svenska Kullagerfabriken.

Übrigens gründen zwei Mitarbeiter der SKF mit deren Unterstützung 1926 die Firma Volvo (ab 1935 unabhängig). Ernst Sachs bleibt angesichts der wirtschaftlichen Übermacht der Schweden keine andere Wahl als 1929 zusammen mit 6 anderen deutschen Herstellern unter das Dach von SKF zu flüchten, immerhin mit dem Erfolg, dass die deutsche Sektion zukünftig ihren Hauptsitz von Berlin nach Schweinfurt (und Cannstadt) verlagert.

1929 ist bekanntlich der Beginn wirtschaftlich schwerer Zeiten, die in Deutschland mit über 6 Mio. Arbeitslosen und der Machtergreifung Hitlers 1933 enden. Durch die Abgabe der Kugellagerfertigung geht dem Werk etwa die Hälfte der Arbeiter verloren. Immerhin kann Ernst Sachs jetzt durch Auszahlung der Fichtel-Erben die Firma vollständig unter seine Kontrolle bringen. Und ein neues Betätigungsfeld der Firma ist auch schon ausgemacht, die (heute nicht mehr weg zu denkende) Sachs-Kupplung für Kraftfahrzeuge.

Es wird noch bis 1933 dauern, ehe diese Kupplung zusammen mit der kfz-steuer-befreiten Autowirtschaft ihren Siegeszug antritt. Zeit, das Konzept zu verbessern. Mit den Kupplungen sind zu der Zeit die Stoßdämpfer eng verwandt. Es sind die sogenannten Hebeldämpfer, Mehrscheibenkupplungen zur Reduzierung von Schwingungen. So kommt auch dieses (erst beginnende) Geschäftsfeld zur Firma Sachs.

Interessant, dass der ehemalige Fahrrad-Rennfahrer Sachs auch Neuerungen beim Bau von Fahrrädern einbringt. Logisch klingt, dass nach der Erleichterung beim Treten durch die kugelgelagerte Nabe jetzt die zweite Stufe gezündet wird, der antreibende Motor. Klar aber auch, dass hier ziemlich schwierige Ingenieursaufgaben verborgen liegen. Man versuche, mit den vorhandenen, relativ schwachen Fahrradrahmen auszukommen und trotzdem einen kräftigen Motor hinein zu bringen.

Es wird zweier Entwicklungsstufen und viel Zeit bedürfen, dieses Ziel zu erreichen. Erst entsteht ein 98-cm³-Zweitakter mit 1,65 kW (2,25 PS), der vom Rahmen aus das Hinterrad antreibt. Er stellt sich als Verkaufsschlager heraus. 1936 kommt er dann in der Ausführung mit 0,9 kW (1,2 PS) komplett integriert in die Nabe des Hinterrades heraus. Die "Saxonette" ist geboren, austauschbar gegen ein beliebiges Hinterrad.

Aber da ist Ernst Sachs schon 1932 an Leukämie gestorben, mitten in der schlechten Zeit. Sein Sohn Willy führt das Werk. Man kann von 1935 an langsam wieder wirtschaftliche Erfolge verbuchen. In diese Zeit fällt auch die Einführung des Kundendienstes, der allgemein noch keineswegs üblich ist und auch heute noch als wichtiges Argument der Entscheidung eines Kunden für ein bestimmtes Produkt gilt.

Immerhin sind die Sachs-Produkte nach Abgabe der Kugellager-Fertigung komplexer geworden. So sind regelmäßige Schulungen des Service-Personals beinahe rund um die Welt die Vorbedingung, sich ein Sachs-Schild an die Außenwand heften zu dürfen. Allerdings dauern schöne Zeiten selten an. 1939 steht die Welt wieder am Abgrund eines Krieges. Und da vor allem die Alliierten Schweinfurts Produktionspalette als kriegsentscheidend ausmachen, ist die Stadt Ziel schwerster Bombenangriffe.

So findet man sich in der Nachkriegszeit in einem schwer zerstörten Werk und einer mindestens zur Hälfte entvölkerten Stadt wieder. Zehn Jahre braucht man, dann hat das Werk seine Vorkriegs-Produktionszahlen überholt. Immerhin hat man den Vorteil, dass eine Produktpalette mit Fahrradnaben und Kleinmotoren sehr gut in eine Nachkriegszeit passt. Das Moped wird zum wichtigsten Transporteur von Menschen und z.T. auch Material.

Legendär ist der oben abgebildete 50-cm³-Motor, als komplette Einheit mit Tretkurbel und Dreigang von 1953. Er beteiligt sich durch riesige Stückzahlen am vorherrschenden Moped-Boom. Doch irgendwann ist auch der zu Ende und die Leute wollen beim Transport nicht mehr nass werden. Aber auch für das Auto hält die Firma Sachs eine Überraschung und damit Weiterbeschäftigung bereit, die Halbautomatik "Saxomat".

Wenn Sie deren Konstruktion interessiert, lesen Sie bitte hier weiter. Es ist die Antwort der noch nicht wohlstandsverwöhnten Deutschen auf die Vollautomatik der Amerikaner. Der Verkehr nimmt zu und man will den/die Fahrer/in zumindest von der Schwierigkeit des Anfahrens und Kuppelns entlasten. Und wäre nicht die Fliehkraft-Anfahrkupplung doch ein wenig ruppig gewesen, wir würden sie vielleicht noch heute benutzen. Denn eins steht fest, die Wirkungsgradverluste eines Drehmomentwandlers hat sie nicht.

Mitten in der Zeit der immer noch wachsenden Firma stirbt Willy Sachs. Ihm wird, genau wie seinem Vater, ein vergleichsweise großer Freundeskreis wichtiger Leute der Industrie nachgesagt. Hinzu soll er großes Talent sowohl im technischen Teil seiner Firma als auch im kaufmännischen gezeigt haben. Allerdings leidet er auch an Depressionen und sein Tod ist durch Selbstmord herbeigeführt. Auch seine Ehe mit Elinor von Opel wird früh geschieden, als der älteste Sohn gerade sechs Jahre alt ist.

Der Tradition verpflichten diesen die Vornamen "Ernst" und "Wilhelm" von Großvater und Vater. Über seine beruflichen Qualifikationen ist hauptsächlich der Erwerb von Wissen und Erfahrung durch Praktika u.a. bei Daimler Benz bekannt. Ansonsten ist er zusammen mit seinem Bruder bei seiner Mutter in der Schweiz aufgewachsen. Er tritt in den Vorstand ein und wird nach dem Tod des Vaters auch dessen Vorsitzender.

Stürmische Zeiten stehen dem Werk z.B. mit der Gründung der Europäischen WirtschaftsGemeinschaft bevor. Die Werksleitung tut sich schwer, auf die Herausforderungen der neuen Zeit zu reagieren. Schon in früheren Zeiten hatte man den Einstieg in die Kältetechnik erwogen, aber wegen der Fremdheit zum Thema Fahrrad und Auto verworfen. Diesmal zieht man es durch und scheitert.

Der 1976 an den britischen GKN-Konzern für Luftfahrt und Automobilbau geplante Verkauf der Aktienmehrheit von Ernst Wilhelm und seinem jüngeren Bruder Fritz Gunter Sachs wird vom Kartellamt verhindert, aber da ist der ältere von beiden schon bei einem Lawinenunglück in einem Schweizer Skigebiet ums Leben gekommen. Der jüngere bleibt als stellvertretender Vorsitzender im Betrieb bis 1980.

In der Boulevardpresse jener Jahre wird er als Playboy und (unverdienter) Millionenerbe "gefeiert". Jede seine Aktionen, ausschließlich eher im Freizeitbereich angesiedelt, wird von großem Presserummel begleitet. Wenn es heute sogenannte "Paparazzi" gibt, damals müssen sie erschaffen worden sein. Besonders durch seine Ehe mit dem "Mythos Brigitte Bardot" nimmt sein Bekanntheitsgrad enorm zu, obwohl die Liaison nur drei Jahre dauert. Die nachfolgende Ehe hält bis zu seinem Freitod im Jahr 2011.

Insgesamt tut man ihm mit der Schablone "reich und nur das Leben genießend" wohl etwas Unrecht, denn Wikipedia schreibt über ihn: "Er studierte in Lausanne Mathematik und Wirtschaft und absolvierte eine Feinmechaniker- und eine Banklehre sowie ein französisches Dolmetscherdiplom." Als Kunstsammler und wohl auch Sachverständiger fördert er die mehr als betrüblichen Anfänge von Andy Warhol. Wir verlassen die umfangreichen Tätigkeitsfelder dieses Mannes, die Sie hier nachlesen können.

Erst im Jahr 1987 gelingt der Verkauf der Aktienmehrheit durch Gunter Sachs und die Erben von Ernst Wilhelm Sachs an Mannesmann. Der ehemalige Stoßdämpfer-Konkurrent Boge kommt hinzu und nach und nach erfolgt eine Konzentration, bei der Motorenbau bzw. Fahrrad-Zubehör eingestellt bzw. abgestoßen werden. 1997 verschwindet der Name des Mitgründers Fichtel endgültig aus der Firmenbezeichnung. Seit 2011 aber gibt es "Sachs" als eigenständigen Firmennamen auch nicht mehr, weil die Firma vollständig in den neuen Besitzer, die Zahnradfabrik Friedrichshafen integriert ist. 09/11




Kugellager-Herstellung

Wälzlager - Wikipedia







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