 1978 Aston Martin Lagonda
Dieser Wagen wird in die Geschichte eingehen als einer der größten Verschwender von Entwicklungs- und Produktionskosten. Er bringt durch Vorbestellungen zwar kurzfristig Geld in die Kasse, kommt aber erst zwei
Jahre später in Kundenhand. 16 Stück sollen in den ersten beiden Jahren gebaut worden sein. Sein Produktionsaufwand soll nur noch mit dem zu der Zeit teuersten Rolls Royce vergleichbar gewesen sein. Er ist der
erste Viersitzer der Firma.
Der Kaufpreis beginnt 1978 mit etwa 38.000 Pfund und erreicht nach zwei Jahren die 50.000. Dafür kann man in dieser Zeit ein Einfamilienhaus in einer hübschen Londoner Gegend kaufen oder vier der teuersten
Mercedes jener Zeit und hat noch Geld übrig. Die Fertigung ist bei einem Wagen pro Woche angekommen, der Preis wird weiter am Ende bis auf 66.000 Pfund steigen mit insgesamt 645 prozudierten Autos in 12
Jahren, 30% davon für arabische Länder. Dies allerdings rettet die Firma über die Achtziger hinweg.
Dabei ist seine Motorisierung noch nicht einmal spektakulär. Ein V8 mit vier obenliegenden Nockenwellen treibt ihn über ein Chrysler-Automatikgetriebe an. Dieser Antrieb ist ein wichtiger Kritikpunkt dieses teuren
Wagens, wenn auch nicht der wichtigste. Er wird im Lauf der Entwicklung mehrfach geändert, u.a. mit einer Benzineinspritzung für weniger Verbrauch versehen. Allerdings gibt es wohl auch noch einen anderen Grund,
zwei Tanks mit insgesamt 128 Liter Fassungsvermögen einzubauen.
Das Leergewicht liegt deutlich über zwei Tonnen, da hilft auch die Alu-Karosserie nicht weiter. Hinzu kommt die wohl sehr solide Verarbeitung des Wagens. Man scheut sich nicht, dem V8 wahrscheinlich wegen der
Aerodynamik einen nach vorne weiten Vorbau zu geben, viel mehr, als der Kühler mit seinen beiden Ventilatoren eigentlich braucht. Aber auch Details, wie z.B. die Klappscheinwerfer, werden sehr solide und damit
schwer gefertigt. Dazu passt, dass er im Kofferraum Werkzeug im Diplomatenkoffer mit weißen Handschuhen bereithält, übrigens unbedingt nötig für die Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs.
Nur für die Rücksitze ist eine Glasscheibe ins Dach eingelassen. Übrigens sind die Platzverhältnisse hinten für eine 5,30 m lagen Limousine ziemlich miserabel. Interessant ist, wie viele Änderungen der Wagen
im Laufe der Produktionszeit über sich ergehen lassen musste. Das ist natürlich einfacher, wenn das Auto in Handarbeit gefertigt wird. Hauptsächlicher Knüller und damit auch Killer ist die Elektrik/Elektronik. Nicht
umsonst ist ihr ein großer Teil des Werkstatt-Handbuches und der Bedienungsanleitung gewidmet.
Der Verkaufsprospekt weist nur darauf hin, die einzelnen Funktionen seien ausschließlich über sensitive Drucktasten steuerbar. In Wahrheit ist das stark untertrieben, verfügt er doch über das erste digitale Display
überhaupt, anfangs mit LEDs, später mit Bildröhre als Monitor. Besonders das letztere hat wohl mehr als eine Abteilung der Firma zur Verzweiflung gebracht. Die Welt hat sich relativ schnell von solchen Anzeigen
wieder abgewandt. Wie soll auch ein breiter, leicht schräger und dicker Balken bei diesem schnellen Auto sinnvoll Geschwindigkeitsbereiche unterscheiden?
Durchgesetzt haben sich hingegen die Sitze, deren Steuergerät für mehrere Passagiere die adäquate Einstellung speichert. Über die wohl vorläufig einmalige Karosserie streiten die Designer noch heute. Die erste
Version mit den Klappscheinwerfern ist die eckigere, später wird sie etwas abgerundet, die Scheinwerfer wandern in die Lichtleiste, die für Nebel in einen speziellen Spoiler darunter. Erstaunlich, wo der Wagen mit
einem solchen kleinen Kühlergrill seine Kühlluft herholt.
Aber diese Erinnerung an früher musste wohl sein, genau wie die bei Aston Martin immer wieder auftauchenden seitlichen Öffnungen in den vorderen Kotflügeln. Von der Seite betrachtet, wirkt die lange Front fast wie
ein Pfeil, besonders wenn man die riesige, flache Windschutzscheibe mit einbezieht. Einzelne Kunstsachverständige erklären ihn kurzerhand zum 'schönsten Wagen der Welt'. Zutreffender ist vielleicht der Titel eines
Tests: 'Unfinished Symphony' oder 'ewiger Prototyp'.
Ein Auto, dessen Besitzer auch dann noch gelassen bleibt, wenn er nicht anspringt. Man ist entweder selbst spezialisierter Mechaniker oder kann sich einen leisten. Und wenn er läuft, ist der Verbrauch mit bis zu 30
Liter/100 km bezogen auf die Probleme mit dem Auto noch der kleinste Makel. So ein Auto hat wirklich nicht jeder. 08/10
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