Ladezeiten
Im vorigen Kapitel ging es um das Laden zuhause, im Prinzip in der sicheren Garage, aber an einem abschließbaren Kasten in der Einfahrt möglich. Wie man an dem Bild hier sieht, kann allerdings nur der
Kasten gesichert werden, nicht aber das Zuführungskabel. Es ist dem Vandalismus preisgegeben.
Dazu eine kleine Anekdote: Irgendwann hatte ich vom Auto als Fortbewegungsmittel zur Arbeit auf die Bahn umgestellt, brauchte allerdings dort ein Fahrrad, um zu meiner Wirkungsstätte zu gelangen.
Meistens ging das gut, auch über das Wochenende hinweg. Ausgerechnet, als ich an einem Montag die Kollegen zu einer Fortbildung zu Gast hatte, waren die Reifen platt und die Ventile weg.
Das ist vielleicht typisch für solche Lösungen wie die oben gezeigte. Es geht meistens gut, aber genau dann, wenn man funktionierende Technik am dringendsten braucht, ist sie nicht verfügbar. Da nützt es
auch relativ wenig, wenn mir das Handy mitten in der Nacht berichtet, irgendetwas sei mit der Stromversorgung nicht in Ordnung.
So und jetzt noch etwas Grundsätzliches, was nicht so wirklich oft beachtet wird: Batterien fühlen sich überhaupt nicht wohl, wenn sie stets vollgeladen sind. Bringt man also sein E-Auto stets in den Zustand
höchster Bereitschaft, dann sinkt die Lebensdauer der Batterie. Insgesamt hält sie zwar schon recht lange, aber sie rächt sich mit immer weniger Aufnahmevermögen.
Deshalb schlagen Fachleute ein Szenario vor, bei dem jede Möglichkeit der Teilladung genutzt wird. Das könnte dann ein Super- oder Baumarkt mit Ladesäulen an den Parkplätzen sein. Es ist überhaupt
verwunderlich, dass diese neue elektrische Welt hervorragend zum Alltagsleben eines Durchschnittsmenschen passt, aber keineswegs zum Handlungsreisen oder Urlaub mehrmals im Jahr. Jedenfalls nicht,
wenn er mit dem Auto durchgeführt werden soll.
Hoffentlich wird als Konsequenz daraus in der E-Zukunft nicht noch viel mehr geflogen und damit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Auch die enorme Beschleunigung trotz hohem Gewicht ist ein
Pluspunkt für die Kurzstrecke. Fährt man länger, würde ein hoher Durchschnitt mehr Sinn als Spurtvermögen machen, so fördert sie das Reichweitenproblem.
Die Industrie, besonders die für Automobile zuständige, hat natürlich für alles eine Antwort parat und die lautet: 'Schnellladung'. Fragt man allerdings wiederum mit E-Technik betraute Fachleute, so sehen die
solche Einrichtungen mit großer Skepsis. Ihr erstes Gegenargument ist wiederum die Lebensdauer der Batterien, die angeblich bei häufigem Schnellladen auf etwa die Hälfte sinken kann.
Nicht umsonst wird einem Tesla eine Art Aufzeichnungsagenda mitgegeben. Darin kann man auch nach Hunderttausenden von Kilometern z.B. nachlesen, wie oft die Batterie schnellgeladen wurde. Wenn
nicht manipuliert, ist das übrigens eine tolle Möglichkeit, beim Kauf eines gebrauchten Tesla-Modells zumindest in diesem Punkt nicht übers Ohr gehauen zu werden.
Es gibt natürlich noch andere Gründe, gegen Schnellladung zu sein. Aber der Reihe nach. Im vorigen Kapitel wurde noch von 40 kWh ausgegangen. Folgt man neueren Planungen, so steigt die Untergrenze
irgendwann vielleicht auf 48 kWh und erreicht maximal über 100 kWh. Sie werden ahnen, dass dort auch die beste Hausanlage kaum in einer vertretbaren Zeit hinterherkommt. Aber der Markt verlangt mehr
Reichweite.
Jetzt kann man allerdings eine tonnenschwere Batterie nicht mit einem zu schwachen Motor kombinieren. Im Gegenteil, da es sich hier um ein Premium-Produkt handelt, muss man sich natürlich besonders
sportlich geben. Und wie löst man dieses Dilemma? Ganz einfach: Zunächst wird die Spannung drastisch auf z.B. 800 Volt erhöht und dann das Laden auf utopisch geringe Zeitwerte gesenkt.
Sie werden es mir nicht glauben, aber offenbar gibt Porsche an, seinen Boliden in sage und schreibe 19 Minuten 400 km mitzugeben. Nein nicht 20, 19 Minuten, so exakt sind auf einmal die Ankündigungen.
Jetzt wollen wir einmal nicht von 400 km in Schleichfahrt ausgehen. Man wird der Marke wohl gerecht, wenn man von mindestens 30 kWh pro 100 km ausgeht. Von heutigem Fahrprofil dieser Marke und
entsprechendem Mehrgewicht ausgehend, müsste es noch deutlich mehr sein.
Also 30 kWh ergeben bei 400 km 120 kWh. Aua. Das klappt also nicht. Also ist Porsche doch von einer relativen Schleichfahrt mit ca. 20 kWh ausgegangen. So lernt man die Marke von einer ganz neuen
Seite kennen. Wir müssen also notgedrungen mit 80 kWh in 19 Minuten rechnen. Wir nehmen trotzdem mit '3' mal und erhalten stolze 240 kWh. Nur zu Ihrer Orientierung: Ein Tesla Supercharger schafft im
Moment gerade mal 120 kWh, die 240 sind in Planung.
Übrigens, wenn es von diesen bis zu acht Stück an einem Standort gibt, dann garantieren nur vier die volle Ladekapazität. Und dann würde man gerne mal sehen, wie die Sache bei absolut voller Auslastung
funktioniert. Es wäre Tesla zuzutrauen, die haben noch weitere Begrenzungen drin. So und jetzt kommen mehr als ein Porsche und jeder verlangt 240 kW und vielleicht noch mehr. Bisher geht das wohl, weil
er an einer speziellen Ladestation im Werk geladen wird.
Aber die gemeinsam von Porsche, BMW, Daimler und Ford Europa gegründete Firma IONITY setzt noch einen drauf und spricht sogar von 'bis zu 350 kW Ladeleistung'. Im vorigen Kapitel waren wir von
maximal 11 kW pro Fahrzeug ausgegangen und hatten vor Peaks gewarnt. Schon bei 240 kW müssen wir also von 21 gleichzeitig vollladender Autos ausgehen und das schafft Probleme.
Bitte vergessen Sie nicht, dass auch der Kabelquerschnitt von der Stromstärke abhängig ist. Günstig ist hier eine hohe Spannung, aber selbst bei 800 Volt fließen bei 240.000 Watt 300 Ampere Strom. 300 A
erfordern nach Tabelle knapp 100 mm2Querschnitt, also 10 mal 10 mm. Für Hin- und Rückleitung und der Dichte von Kupfer wiegt so ein 3 Meter langes Kabel mit entsprechender Isolierung und Querschnitten
am Stecker fast so viel wie ein voller Eimer Wasser.
Wird der Porsche auf seine alten Tage wieder zum Männerfahrzeug? Oder bindet uns die Industrie einen Bären auf? Immerhin verspricht IONITY praktisch 50 Prozent mehr Ladeleistung als bisher überhaupt in
Aussicht gestellt. Und hier kann nicht, wie bei Tesla oder zuhause, die Leistung bei mehr als einem Fahrzeug gedrosselt werden, weil es sich stets um um ein bestimmtes Fahrzeug handelt. Und das kann
dann auch ein Netz kaum verkraften, geschweige denn, z.B. zuhause auch zwei Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden sollen.
Man wird vielleicht trotzdem einen Weg finden. Sie ahnen es, der ist dann kompliziert und sehr teuer. Da hält die Ladestation entsprechende Batteriekapazität vor und Porschefahrer/innen werden wohl hier für
diese Ladeleistung einen besonderen Obolus entrichten müssen. Der Allgemeinheit wird so etwas hoffentlich nicht zuzumuten sein. Allerdings ist so ein System auch nicht flächendeckend für alle
Ladestationen möglich. Und dem/der Porschefahrer/in ist immer noch nicht gedient, denn er/sie schafft die avisierten 400 km nur mit relativ moderater Fahrweise bei 20 kWh/100km Verbrauch.
Zum Schluss dieses Kapitels noch ein Thema, von dem man sich offenbar viel verspricht, das induktive Laden. Oben sehen Sie eine etwas aufwendigere Variante. Um möglichst engen Kontakt zwischen der
Bereitstellung des elektrischen Feldes und der Aufnahme im Fahrzeug zu erreichen, fährt man hier gegen erstere, etwas gebremst von einem Hindernis am Boden.
Bei noch aufwendigeren Lösungen kommt die Fläche sogar aus dem Boden dem Fahrzeug entgegen. Je kleiner der Abstand, desto weniger Energie geht verloren. Weil der erzeugte Elektromagnetismus je
nach Übertragungsrate für den Menschen nicht ganz ungefährlich ist, wird erst eingeschaltet, wenn sich das Fahrzeug darüber befindet. Angedacht waren auch schon einmal Kabel direkt unter der/den
Fahrbahn(en) der Autobahn.
Insgesamt ist die Methode von einer gewissen Energieverschwendung begleitet, die uns auch bei regenerativ erworbener einmal auf die Füße fallen könnte. Vorteil wäre natürlich ein fast unmerkliches Laden
beinahe überall und dann sogar noch während der Fahrt. Mehr Aussicht scheinen Stromabnehmer z.B. für Lkw zu haben. Busse will man sogar über stationäre z.B. an der Endstation laden.
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