E-Netze
Manches, was uns vorgegaukelt wird, kann so kaum funktionieren, zumindest ist es nicht so einfach realisierbar. Nachdenken hilft da enorm, die Spreu vom Weizen zu trennen, Nachrechnen noch viel mehr.
Am besten, man stellt sich zu Beginn einmal ganz dumm.
Strom begreifen wir normal Sterbliche in Form einer Steckdose, an die wir elektrische Geräte anschließen. Da uns die Industrie schon gar keine Geräte mehr liefert, die diese Steckdose bzw. das mit ihr
verbundene Netz überfordert, erfahren wir auch nicht viel über die Grenzen der Belastung. Die hängen ganz einfach von der Sicherung für diesen Teil des Netzes ab und von dem, was sonst noch an diesem
Netz hängt.
In der Regel ist so ein Teil des Gesamtnetzes mit 16 Ampere abgesichert. Die Aufspaltung hat den Sinn, dass stets Teile der elektrischen Versorgung noch funktionieren, wenn ein Teilnetz ausfällt. Wenn also
eine Sicherung nach dem Einschalten immer wieder herausspringt, dann könnte man die dranhängende Tiefkühltruhe retten, indem man sie über ein Verlängerungskabel mit einem intakten Teilnetz verbindet.
Der Gedanke ist abwegig, höheren Verbrauch durch Einbau einer stärkeren Sicherung erzielen zu wollen, weil dahinter weitere Sicherungen geschaltet sind und die dann in Mitleidenschaft gezogen werden
könnten. In der Regel ist der Zugang zu ihnen verplombt, sodass sie nur von autorisierter Stelle wieder in Gang gesetzt werden können. Außerdem muss grundsätzlich die Sicherung zum Leitungsnetz passen.
Um ein E-Auto zu laden, vergessen wir einmal die Absicherung mit 10 Ampere, stehen also im günstigsten Fall ohne zusätzliche Installationen 230 V mal 16 Ampere gleich 3,7 kW zur Verfügung. Soll also ein
solches Auto in 8 Stunden aufgeladen sein, erhält seine Batterie nur ca. 30 kWh. Dabei ist zu bedenken, dass dies nicht die Brutto-Kapazität sein darf, denn nur während 80 Prozent der Ladung kann dies mit
der vollen Spannung geschehen.
Grundsätzlich erfolgt nämlich das Laden einer Batterie dadurch, dass vom Netz her eine höhere Spannung anliegt, als in der Batterie gerade gegeben ist. Nur durch den Spannungsunterschied ist ein
Aufladeprozess überhaupt möglich. Ein Ladegerät wählt also die Spannung gerade so, dass ein bestimmter Strom nicht überschritten wird. Bei etwa 80 Prozent würde diese Spannung aber die für die Batterie
zulässige überschreiten. Der Ladeprozess verlangsamt sich demnach.
Man kann grob feststellen, dass für die letzten 20 Prozent mindestens so viel Zeit wie für die ersten 80 nötig ist. Von einem Auto mit 36 kWh Bruttoleistung können wir aber auch nicht ausgehen, weil dann die
36 kWh uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssten. Also nehmen wir 40 kWh. Wollen Sie also das E-Auto komplett laden, müssen Sie noch einmal ca. 8 Stunden warten.
Man könnte vereinfacht sagen, dass es ab 40 kWh so langsam ungemütlich wird mit dem Laden an der Haushaltssteckdose. Aber es gibt natürlich noch weitere Lösungen, umgangssprachlich auch
'Kraftstrom' genannt. Da eigentlich dem Haushalt Dreh- und nicht Wechselstrom geliefert wird, kommt der in drei Phasen an. Diese werden dann aufgeteilt, z.B. an Ihrem Elektroherd zwei auf die Platten und
eine für den Backofen.
Bestimmte Geräte kommen aber mit 16 A an einer Phase nicht aus, z.B. solche, die von Bauarbeitern genutzt werden. Für deren Lastenaufzug werden alle drei Phasen gleichzeitig genutzt. Das geht über
besondere Steckdosen, die sich auch in manchem Privathaushalt finden. Jedenfalls braucht man nur fachlichen Beistand und keine Genehmigung des Netzbetreibers, um sich eine solche Leitung bis in die
Garage legen zu lassen.
So, das wären jetzt 230V mal 16 A mal 3, was 11 kW ergibt. Sie erkennen leicht, dass man damit ein 40-kWh-Auto in gut 2,5 Stunden vollgeladen bekommt. Bevor wir jetzt weiter fortschreiten, noch einmal
kurz wiederholt, weil es ganz wichtig ist. Nur die ersten knapp 1,5 Stunden wurde das Netz des Hauses voll beansprucht, danach wird der Ladestrom langsam geringer.
Warum ist das so wichtig? Weil man schließlich nicht alleine ist auf der Welt und vermutlich irgendwann sich auch das E-Auto flächendeckend durchsetzen wird. Also müsste nicht nur ein Netzbetreiber mit
ganzen Straßenzügen voller E-Autos rechnen. Schon heute gibt es das Problem mit Häusern voller Eigentumswohnungen, wo spezielle stärkere Ladeeinrichtungen verlangt werden und dazu eine neue
Hauselektrik nötig wäre, an der sich natürlich die Bewohner ohne E-Auto nicht beteiligen wollen.
Spätestens jetzt ist es einmal an der Zeit, sich die Gesamtsituation in Deutschland anzuschauen. Es gibt hier momentan ca. 41 Millionen Fahrzeuge. Diese legen im Durchschnitt weniger als 50 km pro Tag
zurück. Man könnte auch sagen, unsere Autos 'stehen sich die Beine in den Bauch'. Besonders schwierig ist es, den Durchschnittsverbrauch zu bestimmen, denn der reicht von ca. 12 kWh pro 100 km bei
einem besonders sparsamen Vehikel mit entsprechender Fahrweise bis über 30 kWh bei einem tonnenschweren SUV.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das SUV ist bei 30 kWh keineswegs besonders rasant bewegt worden. Es ist einfach so, dass sich hier der Mindestverbrauch von ca. 25 kWh (Tesla Model X) bei
entsprechender Fahrweise deutlich mehr als verdoppeln kann. Um aber auf eine Zahl zu kommen, nehmen wir jetzt einmal für einen normalen Pkw 20 kWh pro 100 km als Durchschnittswert an.
Wenn alle Fahrzeuge auf E-Antrieb umgestellt sind, beträgt der Jahresverbrauch: 41 Mio. mal 365 Tage mal 10 kWh (auf 50 statt 100 km) gleich ca. 150.000 Mio. kWh gleich 150 Mrd. kWh. Beim jetzigen
Stromverbrauch pro Tag ohne nennenswerte Belastung durch E-Autos liegen wir bei 530 Mrd. kWh pro Jahr. Bis zu einer evtl. nötigen Verdoppelung der Netzkapazität wäre da noch reichlich Platz, z.B. für die
Nutzfahrzeuge.
Der Teufel liegt aber im Detail, denn es genügt nicht, wenn z.B. erneuerbare Energie vor Ort erzeugt würde, diese dann einfach nur zu verteilen, denn Angebot und Nachfrage passen in der Regel nicht
zusammen. Es steht zu vermuten, dass hoher Verbrauch zu bestimmten Zeiten Anforderungsspitzen erzeugt, die ein Netz nicht abfedern kann. Es ist wie früher bei wichtigen Fußballspielen, als alle in der
Halbzeit zur Toilette gingen und dann der Wasserdruck nicht mehr nachkam.
In der Sprache der Elektriker nennt man so etwas einen 'Blackout'. Es kommt also auf den sogenannten 'Peak' an und wird nicht ohne eine höhere als derzeitige Intelligenz für Ladegeräte gehen. Ganz
abgesehen davon, dass Leute, die das Auto am nächsten Tag nicht brauchen, durch Zurückladen ins Netz auch noch Geld verdienen könnten. Nur mit der neuen Computerwelt ist rein elektrisches Fahren
überhaupt lebbar.
Bedeutet allerdings auch eine gewisse Abkehr von garantierten Ladezeiten. Denn, wenn es eine Steuerung gibt, die gefährliche Peaks verhindert, heißt das, die Ladeströme werden heruntergeregelt,
Ladezeiten verlängert. Das ist überhaupt ein Kennzeichen der schönen neuen Welt, man muss mehr planen, sich vorbereiten. Mit einem Auto voller Sprit kann man spontan losfahren, wohin man will. Ein E-
Auto könnte gerade einen Teil seiner Ladung abgegeben haben, wenn man sich umentschieden hätte und es jetzt doch brauchen könnte.
Unbedingt passend dazu ist das nächste Kapitel Ladezeiten.
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