Im Ernst, gibt es die noch, die Zufriedenheit? Wenn ich jetzt den Begriff 'Innere Ruhe' hinzunehme, denken die meisten an ältere Leute und weg sind sie. Sind das denn erstrebenswerte Ziele oder eher Synonyme für Stillstand, stickige Luft, Vorbereitung auf den Tod?

Warum ich das frage? Das kommt von dem Video über den BMW M3, genauer gesagt mehrere Ausführungen des M3. Dass es den dann auch noch in zwei Leistungsstufen und sogar mit Allrad-Technik gibt, geschenkt. Aber dann werden die Sitze des einfachsten Modells vorgestellt. Sie bestehen aus mehreren Teilen, außen aus Leder und innen ein schönes zweifarbiges Stoffmuster.

Man denkt so bei sich, da würdest Du dich gerne einmal hineinsetzen und auch noch die ausfahrbare Unterstützung für die Beine ausprobieren. Und während man das so denkt, ertönt aus dem Off des Videos schon zum zweiten Mal, dass es sich hier ja 'nur' um die einfachste Variante handele. Können Sie vielleicht verstehen, dass ich das Video abgeschaltet habe?

Die Sitze waren wunderschön, wer die Farbkombination mag. Warum soll ich mir dann noch etwas Besseres anschauen? Ist denn das immer wirklich besser? Oder wissen die Designer/innen langsam selbst nicht mehr, was sie der Kundschaft anbieten sollen? Werden aber getrieben von Facelift zu Facelift und müssen dabei auch noch verschieden 'wertige' Varianten anbieten.

Bei der S-Klasse von Mercedes gibt es inzwischen bis zu 30 Lautsprecher. Kann man das noch steigern? Es reichen auch nicht mehr ein Massageprogramm oder vielleicht zwei Duftstoff-Kombinationen. Wer so ein Auto erwerben will, muss vermutlich einen ganzen Arbeitstag im Autohaus verbringen. Internet ist ja bei diesen beiden Beispielen wenig hilfreich. Oder es gibt demnächst angeblich neutrale Kaufberater/innen, die man für so einen Tag buchen kann.

Ursprünglich hat man gedacht, solche Extreme kämen nur bei (neu-) reichen Menschen vor. Aber inzwischen hat die Seuche schon Leute mit einer reichen Oma erfasst. Ist denn irgendwo das Ende der Wünsche erreichbar, also eine solide Zufriedenheit, bei der man sich an dem freut, was man hat, möglichst auch noch z.T. selbst erschaffen hat? Griffigstes Beispiel wäre, wenn der Schmerz nachlässt.

Glauben Sie wirklich, eine Industrie, die sich an Verkaufszahlen misst, könnte uns dabei behilflich sein, unsere Zufriedenheit wieder zu finden? Wie lange währt die etwa bei etwas Gekauftem? Ist das abhängig von der Menge an Geld, das dafür ausgegeben wurde? Macht es einen Unterschied, ob man das selbst erarbeitet hat oder geerbt? Was macht eine Spaßgesellschaft, wenn ihr der Spaß am Konsum verloren geht, weil den Anbietern nichts mehr einfällt und selbst Influencer/innen nicht mehr weiterhelfen können?

Szenenwechsel: Es ist nicht nur die vielleicht zu weit verschobene Grenze, bis evtl. Zufriedenheit einkehrt. Es fehlt auch das Interesse an der Einfachheit. Z.B. macht der Hang zur Komplexität unser Hinzulernen und die Bereitschaft dazu kaputt. Jede(r), der/die vielleicht einen Zipfel der Weisheit erfasst zu haben glaubt, plärrt direkt los, auch wenn man den Zipfel vielleicht von jemandem übernommen hat und einfach nur nachbetet.

Wo ist der Zweifel geblieben, ob dies oder jenes so gesagt werden kann? Wo wird der Zweifel beim Schreiben geäußert und lässt die Leser/innen mitdenken? Schauen Sie sich nur an, bei welcher Gelegenheit das Publikum aufgefordert wird, etwas in die Kommentare zu schreiben. 'Wie hat Euch die Niere des neuen BMW gefallen?' 'In welcher Farbe findet Ihr den neuen BMW am schönsten?' Früher haben wir in den langweiligsten Schulstunden in unser Heft geschrieben: 'Hier verkommt ein Genie!'

Wann hat man Ihnen, außer bei Alltagskram, zum letzten Mal eine einigermaßen sinnvolle Frage gestellt, für die Sie sich als zurecht angesprochen bzw. als Experte/in fühlen konnten? Eine Frage, die eben nicht nur nach Zustimmung heischt? Deren Antwort als zufriedenstellend angesehen wird, auch wenn diese ohne jede Argumentation ist? Wer verlernt zu fragen und zu zweifeln, der hat wesentliche Teile seiner Persönlichkeit aus der Hand gegeben.