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  Kommunikationskönner



Es steht zu hoffen, dass uns der Zugriff auf das Video unten noch eine längere Zeit erhalten bleibt. Der größte Gewinn ergibt sich aus dem Orignalton, und wenn Sie die Untertitel dazu brauchen, dann eher in Englisch als in Deutsch. Es geht hier um den Sion von Sono Motors, der von drei jungen Leuten auf der Basis eines BMW i3 entwickelt wurde.

Besonderes unter den vielen Alleinstellungsmerkmalen sind die außen angebrachten Module, die dem Wagen ein Laden sowohl übers Netz als auch direkt von der Sonne ermöglichen. Die Kampagne, mit der die Drei den Prototypen innerhalb eines Jahres auch auf Reisen durch Mitteleuropa vorgestellt haben, war außerordentlich erfolgreich, ebenso wie das Crowdfunding übers Internet. Obwohl mit den ersten Fahrzeugen erst Ende 2020 zu rechnen ist, gibt es seit Mitte 2019 schon über 10.000 feste Bestellungen.

Sie ahnen es vielleicht schon, im Rahmen dieses Buches geht es uns jetzt gar nicht um das Auto selbst, sondern um ein Gespräch, das dessen Technik zwei elektrobegeisterten Herren nahebringen soll. Das beginnt schon bei der Kaffeemaschine, die offensichtlich von den Batterien des Autos gespeist wird. Und dazu der Spruch, dass dieser Kaffee 'ethisch korrekt' sei.

Danach lässt der eigentliche Gesprächsführer seine beiden Gäste erst einmal ausführlich das Konzept des Wagens besprechen. Erst auf das Stichwort hin, dass der Wagen ja wohl komplett mit Solarzellen eingedeckt ist, nimmt er wieder das Wort. Dann kommt allem voran von ihm noch einmal die ethische Begründung für das Projekt, nämlich Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schützen.

Der erste Vergleich zwischen dem Transport von Energie und dessen direkter Aufnahme durch das Auto scheint die beiden Herren schon einmal sehr zu beeindrucken. Das leuchtet ja auch ein, dass es effektiver ist, die Energie dort zu 'produzieren', wo sie gebraucht wird. Noch schöner: Die sogenannte Produktion funktioniert das ganze Jahr über, ohne dass man etwas dafür tun muss.

Abgesehen von der fehlenden Mengenkalkulation können wir bis hierher noch folgen. Dann wird es heiter, denn unser Agent für die Sion-Werbung meint, dass dies genauso im Schatten funktioniere. In so einer Situation befindet sich das Auto gerade. Erst jetzt fällt uns, nicht den beiden Herren, auf, dass der Wagen unter einem riesigen schwarzen Baldachin aus schwarzem Kunststoff steht.

Ja, wir hatten gedacht, das sei ein Schutz gegen eine unsichere Wettersituation. Jetzt sind wir aber fast der Meinung, dieser Baldachin mit der Aufschrift 'Sono Motors' hat noch eine andere Bedeutung. Denn wenn so wortreich vom Benefit durch die Solarenergie gesprochen wird, könnte ja jemand bei einem in der Sonne parkenden Auto auf die Idee kommen, einmal die momentane Energieausbeute testen zu wollen.

Steht der Wagen aber unter Dach, so birgt das jede Möglichkeit zur Entschuldigung, warum die prognostizierten Mengen nicht erreicht werden. Allerdings überzieht unser Repräsentant der Firma im Moment beträchtlich, indem er auf die möglichen momentanen Lademengen verweist. Er schätzt die Begeisterung der beiden Herren aber offensichtlich richtig ein.

Nein, wer einmal vom E-Virus infiziert ist, neigt dazu, die Welt der Verbrenner etwas stärker auf den Prüfstand zu stellen als die der E-Mobilität. Da gibt es einen nach eigener Aussage nicht besonders fachlich vorbelasteten youtuber, der behauptet, ein Elektromotor könne bis zu einer Million Kilometer verkraften, ein Verbrennungsmotor sei schon nach 200.000 km hin.

Einer der beiden Herren wiederholt sogar das Statement, dass sogar in dem Schatten, in dem das Auto steht, Energie produziert wird. Klar, aber wie viel? Bewunderswert ist die Ruhe unseres Solarapostels. Kein Triumphgeheul, er macht vollkommen neutralisiert weiter. Vom ihm würden Eskimos vermutlich auch Kühlschränke kaufen.

Diese Ruhe bildet die Grundlage für die erste Zahl, die er mit großer Überzeugung in den Raum stellt, 30 Kilometer Reichweite allein durch Sonnenenergie, und das im Durchschnitt jeden Tag. Die Wirkung wird dadurch verstärkt, dass diese Angabe auf dem Bildschirm erscheint, zusammen mit der Angabe in Meilen, sogar mit Kommastelle.

Was für eine schöne Welt. Die Hälfte des maximalen Tagesbedarfs des Durchschnitts der Bürger ohne irgendeine Sorge bzw. Kosten. Wer 45 km hin und zurück zur Arbeit hat und am Wochenende das Fahrzeug nicht braucht, fährt ein Jahr lang umsonst, muss auch keine Angst haben, dass die vielen kostenlosen Lademöglichkeiten nach und nach verschwinden. Sogar die Batterie wird geschont, weil ihre Ladung die kritischen Grenzen 10 und 80 Prozent nicht unter-/überschreitet.

Es dauert einen Moment, ehe den beiden Herren klar wird, dass es im Falle des Nichtgebrauchs um das weitere Einsammeln von Energie geht, also eine weitere Kontoerhöhung durch Nichtstun. Und trotzdem betet unser Alleinunterhalter sicherheitshalber das Kaleidoskop aller Verkäufer von E-Autos herunter, Normalladung: 80 Prozent in einer halben Stunde. Sogar bei der Erwähnung der Batteriekapazität kann er es sich nicht verkneifen, zusätzlich zu der vorhandenen von 35 kWh noch eine mit 45 kWh in Aussicht zu stellen, von der aber in den bisherigen Informationen nichts bekannt ist.

Und dann kommt wieder so ein begnadetes Statement. Er gibt die finale Reichweite mit 250 km an, die wieder auf dem Bildschirm erscheint, natürlich auch umgewandelt in Meilen. Anschließend die Betonung, dass es sich hier um einen täglich immer wieder zu erreichenden Realwert handelt. Also kein WLTP, was ihm die volle Hochachtung der beiden Herren einbringt.

Die sind die Fabelwerte wohl auch leid. Allerdings gibt es da ein kleines Problem. Was denken Sie, welchen WLTP-Wert Sion Motors selbst angibt? 255 km. Das ist natürlich ein richtig großer Schritt hin zu realen Werten, den unser trockener Spaßmacher hier getan hat. So wie die Beiden darauf reagieren, möchte man fast wetten, dass sie diesen Wert trotzdem als sehr realistisch festschreiben werden.

Sie merken vielleicht schon an dieser Stelle, zu einem Fakemaker gehören Gläubige. Wenn die ersterem nicht die sogenannten Tatsachen bereitwilligst abkaufen, kann jener nicht brillieren. Allerdings so, wie unser guter Mann hier das macht, kann das bei weitem nicht jeder. Übrigens, einen ethisch erzeugten Kaffee haben die beiden immer noch nicht.

Überraschenderweise wechselt einer der beiden Herren das Thema, kommt auf den offenen Prozess während der Entwicklung der Prototypen zu sprechen. Der Diskussionsleiter nimmt das Thema 'Crowdfunding' dankbar auf, weist darauf hin, dass hier nicht nur Geld eingesammelt wurde. Im Bild dann die bis auf den letzten Zentimeter mit Interessenten/innen gefüllte Halle während der ersten Vorstellung.

Ob das nun so vorteilhaft ist, dass die Community jeden (Rück-) Schritt bei der Entwicklung des Autos mitbekommt, darüber kein Wort. Immerhin sind Antriebsart, Zulieferer, Auslieferungsdatum und vor allem der Preis empfindlich geändert worden. Und als unser Beschöniger das Jahr 2012 als Beginn der Konzeptphase erwähnt, taucht bei einem der beiden Zuhörer die Bewunderung auf, wie sehr die E-Mobilität damals noch in den Kinderschuhen steckte.

Hier zeigt sich die Klasse unseres Vorzeigeverkäufers. Einem etwaigen Argument, hier habe man vielleicht zu lange gebraucht, um das Fahrzeug produktionsreif zu machen, begegnet er mit dem unschlagbaren Argument, die Gründer seien zu der Zeit noch zur Schule gegangen. Die beiden Herren zeigen sich daraufhin auch wie so oft sichtlich beeindruckt. Da hier beinahe nichts von Überhöhung verschont bleibt, ist danach von einer Art mit Visionen behaftetem Unternehmertum (visionary, entrepreneurial) die Rede.

Aus Dankbarkeit gegenüber unserem Vortragskünstler wiederholen die Beiden noch einmal kurz die wesentlichen Punkte, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Besser geht es eigentlich nicht. Aber bevor wir jetzt das Trio bezüglich der vielen weiteren Vorteile des Wagens weiter begleiten, wenden wir uns ab und versuchen ein wenig zu den Fakten zurückzukehren.

Hätten wir nicht selbst seit über neun Jahren Sonnenkollektoren auf dem Dach und gerade (neuerdings erst gefordert) das Formular zur Registrierungspflicht der Bundesnetzagentur ausgefüllt, wir wären vielleicht auf den ganzen Schmusekram hereingefallen. Andererseits hat es unser Mann der gezielten Bearbeitung auch wirklich übertrieben, übrigens eine Gefahr für alle, die sich auch selbst hoch genug einschätzen.

Also schreibt Wikipedia, dass der Jahresertrag bei 35 m2 Dachfläche etwa 3.500 kWh beträgt, was auch unseren Beobachtungen einigermaßen entspricht. Beachtenswert ist, wie genau die Bundesnetzagentur die Ausrichtung nach Süden und die Neigung der Kollektoren wissen will. Und noch eine Überraschung schon beim ersten Gespräch mit den Erbauern: Heiß ist nicht unbedingt das, was Sonnenkollektoren zu vermehrter Anstrengung anregt, Helligkeit ist anscheinend noch mehr gefragt.

Merken Sie, worauf das hinausläuft? Von den angegebenen 7,5 m2 Solarfläche befindet sich geschätzt die Hälfte auf Motorhaube und Dach. Was die Seitenflächen anbetrifft, deren Wirkung kann man zumindest zur Hälfte in Zweifel ziehen, weil auch bei bester Ausleuchtung eine Seite Schatten hat.

Und dann müssen Sie sich einmal mit der realen Parksituation eines solchen Autos befassen. Wenn Sie Ihren nächsten Spaziergang machen, schauen Sie einmal, welches geparkte Auto auch nur den Hauch einer Chance hat, den ganzen Tag in der Sonne zu stehen. Schon ein Tranporter oder ein SUV in der Nähe können das beeinflussen, vom Schatten der Bäume und der Häuser ganz zu schweigen.

Unsereiner hat gewiss im Sommer schon erlebt, dass es umgekehrt offensichtlich kaum einen Parkplatz gibt, der über eine längere Zeit Schatten spendet. Einziger Ausweg, Sie haben einen wirklich großen Garten ohne Bäume auch bei den Nachbarn, den der Sion nach Durchfahren der Garage erreichen kann. Sie können ja vielleicht stolz auf ihn sein, aber ihn sich die ganze Zeit ansehen und immer umständlich rein und raus zu fahren, um zur Arbeit oder in die Stadt zu fahren?


Kommen wir zu den Fakten. Wir zeigen Ihnen dazu ein Fahrzeug, bei dem die Solarzellen einigermaßen günstig zur Sonne angeordnet sind. Wohlgemerkt, so wie bei Hausdächern ist das hier immer noch nicht. Die haben nämlich eine ganz bestimmte Neigung zur Südseite hin, wenn möglich sogar variabel, im Winter mehr als im Sommer.

Würden wir also diese ideale Anordnung für den Sion annehmen, dann wäre die täglich erreichbare Menge:

3.500 kW * 7,5 m2 : 35 m2 : 365 Tage = ca. 2 kWh

Das Umwandeln in Kilometer ist dann noch einmal fehlerträchtig. Wir nehmen auch hier einen Wert, den der Sion vermutlich nur sehr knapp erreicht, nämlich 12 kWh/100km. Dann wäre mit den 2 kWh nur ein Sechstel von 100 km, also 16,6 km erreichbar. Wohlgemerkt, das sind total idealisierte Zahlen und doch spricht unser Kommunikator von fast doppelt so hohen.


kfz-tech.de/PPs7

So sieht ein Sonnenauto von 2021 aus. Er heißt Stella Vie und ist von Studenten/innen der TU Einhoven zusammen mit Neways Electronics entwickelt worden und hat bei den Weltmeisterschaften in Australien die Kategorie 'Cruiser Class' gewonnen.


kfz-tech.de/YPs1







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