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  Defender



Zunächst war ich grimmig entschlossen, das neuste Produkt der Firma Land Rover in Grund und Boden zu schreiben. Bedauert habe ich viele Jahre die meist gar nicht unintelligenten Menschen, die behaupteten, in einem Defender ihr Glück zu finden, indem sie mit sagen wir 90 Sachen über die Landstraße rumpelten.

Der Firma selbst hängte ich schon fast Betrug an, weil Sie dieses Gefährt über 60 Jahre und mehr immer gleich verkaufte, sich also einen gewaltigen Batzen an Entwicklungskosten sparte. Schon der Beginn des Defenders war mir suspekt, stellte er doch in meinen Augen der Idee des Willys Jeep allzu ähnliche Kopie dar.

Nein, natürlich nicht im Aussehen. Erst nach und nach erkannte ich die Unterschiede dieser europäischen Variante mit z.B. sparsamerem Dieselmotor und genieteten Alu-Blechen. Aber als das Ding 2016 endlich verschwand, habe ich ihm keine Träne nachgeweint. Im Gegenteil, ich habe mich lustig gemacht über diejenigen, die ihm eine Träne nachweinten.

Richtig Oberwasser erhielt ich, als Land Rover gebrauchte Chassis zu horrenden Preisen mit einem V8 anbot. Da sieht man es einmal, erst verkaufen sie ihre Oldtimer, bis es von den Zulassungsbedingen her absolut nicht mehr geht und dann umgehen Sie diese, indem sie Gebrauchte verkaufen. Ich glaube heute noch, es waren neue Chassis, die nur die Nummern der alten erhielten.

Und natürlich pflanzte sich mein Hass auf den Neuen fort. Da waren und sind dann auch kaum vernünftige Pressebilder. Erst muss man die der „Above and Beyond“-Kollektion von Outdoor Performance-Kleidung durchwandern. Wieder so eine Geldquelle aufgetan, Werbung für besondere (und vermutlich teure) Freizeit-Klamotten, die im Grunde kein Mensch braucht und die mit dem Fahrzeug nichts zu tun haben.

Dann die Videos angeschaut, die zunächst einmal das Erklimmen von Bergen zeigen, natürlich hervorragend fotografiert. Der Gegensatz der Bergsteiger als vermeintliche Naturfreunde zu einem mit Highspeed die Landschaft durchpflügenden Land Rover scheint wohl niemandem aufgefallen zu sein oder er wurde bewusst gewählt.

Ich musste schon fast lachen über ein Auto, was mir viel zu groß und zu schwer vorkam, was angeblich besonders für Ausflüge in die Natur geeignet schien. Dazu noch der Autotester, der so stolz war, dass man ihn und seine Zeitung schon vor der Präsentation an das Auto gelassen hatte, dass er nun wirklich kein Wort der Kritik mehr hervorbrachte.

Aber irgendetwas ist dann bei den weiteren Recherchen mit mir passiert. Zuvor hatte ich mich noch über den horrenden Einstiegspreis von 50.000 Euro aufgeregt, der sich vermutlich durch diese unglaubliche Zahl von Aufpreismöglichkeiten verdoppeln lässt. So viel Geld für so eine Kiste. Dann aber habe ich angefangen, mich in die Leute hinein zu versetzen, die sich so ein Auto überhaupt leisten können.

Als erstes dachte ich an die Kritik, die ich bisweilem am vom Hersteller geforderten Einstiegspreis übe. Da vermutet man leicht, der wolle die Kunden nur in den Laden locken, damit ihm dort die funktionsgerechte Ausstattung aufgeschwatzt werde. Immerhin macht man es bei Land Rover anders, denn fast die gesamte 4x4-Ausstattung ist an Bord.

Unvermeidlich für Land Rover offensichtlich, das eigene Auto als den fähigsten und belastbarsten 4x4 der Welt zu bezeichnen. Solche Superlative haben alle Hersteller drauf, beschäftigen vermutlich extra Angestellte damit, Nischen zu suchen, in denen sich solche hervortun. Aber dann kam dieser Land Rover auf der IAA die Schräge von fast genau 45° herunter.

Es war auch noch der kleinere Defender 90, bei dem man fast den Eindruck hatte, er würde überkopf in die Tiefe purzeln. Es war fast noch spektakulärer, als wäre er hochgefahren. Wer sich längere Zeit mit Kfz-Technik beschäftigt, kann sich einer gewissen Faszination über die Fähigkeiten von Ingenieuren/innen nicht entziehen, auch wenn er längst auf dem Weg zu mehr Klimaschutz ist.

Die enorme Wattiefe hat mich nicht so sehr begeistert, denn eigentlich muss man ja nur alle Öffnungen des Motors hoch genug enden lassen. Auch die Böschungswinkel hatte ich erwartet. Aber der CO2-Wert von 0,38 hat mich überrascht. Man schreibt ihn zwar dem vollkommen geschlossenen Boden zu, deren Einfluss hätte ich allerdings als nicht so hoch eingeschätzt.

Um noch einmal auf den Vergleich mit dem Jeep zurückzukommen. Dort arbeitet man immer noch mit einem traditonellen Rahmen und starren Achsen. Aluminium kommt dort bestenfalls als Beplankung vor. Bei Land Rover ist das grundsätzlich anders. Hier spricht man von einem Aluminium-Monocoque ganz ohne Träger darunter.

Die soll drei Mal stabiler sein. Wenn es nur der Faktor zwei wäre, immer noch viel besser. Und wie der trotz Einzelradaufhängung einfedert, fast völlig sturzneutral wie bei einer starren Achse. Und dazu noch die langen Federwege, kombinierbar mit Luftfederung. Das muss ja ein Unterschied wie Tag und Nacht zu den Vorgängern sein. Aber etwas deutich Negatives muss doch zu finden sein.

Schaut man auf die Maße, dann ist das Gefährt für einen gediegenen Verbrauch trotz gutem cW-Wert zu hoch und zu breit. Aber allein die Länge überrascht. Der kleinere von beiden ist kaum länger als ein VW Golf, ohne Reserverad vermutlich kürzer. Land Rover als Stadtauto, wie hört sich das denn an? Und dann finde ich doch noch ein beknacktes Teil, nämlich die Kamera, die den Boden unmittelbar vor den Vorderrädern aufnimmt und auf den Touchscreen innen überträgt.

War's das? Nein, jetzt gehen meine Gedanken erst richtig los. Das ist so wie bei sehr teuren Sportwagen, die eigentlich direkt in eine Garage wandern, kaum gefahren und viel später mit bisweilen nur tausend Kilometer zu einem noch horrenderen Preis verkauft werden. Ist doch eigentlich gut für die Umwelt, oder?

Etwas mühsam auf den Defender übertragen heißt das, potentielle Kunden sparen vielleicht mit dem Kauf eines Defender die eines oder mehrerer weiterer Autos. Denn auch der kleinere kann enorm viel transportieren, u.a. gelegentlich auch bis zu sechs Personen, fast noch unglaublich viel mehr ziehen, vermutlich sogar schwer beladen von einer nassen Wiese und ist trotzdem komfortabel genug geworden für eine längere Reise.

Ha ha, ein Land Rover Defender als Schlüssel zum Umweltschutz, hat mich die Werbung etwa auch schon eingefangen? Ich muss zugeben, anfangs habe ich das Festhalten der Briten an Traditionen immer als rückwärtsgerichtet empfunden. Inzwischen fange ich an, es als eine Art sinnvoller Insel in der sogenannten globalisierten Welt zu betrachten und bedaure, würden diese z.T. so andersartigen Aspekte die EU verlassen.

Schauen Sie sich diese Rücklichter an. Wer anders kann so etwas konstruieren? Die sehen den Einzelleuchten z.B. gewisser Sportwagen aus den 50ern ähnlich, freilich viereckig abgerundet und des nachts einen Defender auch von hinten kenntlich machend. Noch markanter, der Abschluß der hinteren Kotflügel, dem sie aufgesetzt wurden.

Auch die Frechheit, uns ein längliches Fenster im Dach als Alpine-Fenster zu verkaufen. Es soll zusammen mit der seitlich öffnenden Hecktür und dem Reserverad darauf typisch für den Defender sein. Als wenn es sonst keine Autos mit seitlich öffnender Tür gäbe. Sogar der Jaguar E-Type hatte eine solche, freilich ohne Reserverad.

Die Briten bemerken bisweilen ihre eigenen, liebswürdigen Schrulligkeiten nicht, z.B. die mit besonderen Blechen teilweise abgedeckte, vermutlich begehbare Motorhaube. Dann aber wieder der Wechsel: Der glänzende Lack kann zusätzlich matt foliert werden. Ist das nun Schutz oder sieht das nur gut aus, vermutlich zusammen mit Zusatzeinnahmen drei Fliegen mit einer Klappe.

Sie haben natürlich völlig Recht, wenn Sie fragen, ob man überall da fahren muss, wo der Defender fahren kann und ob man dann nicht ein ähnlich vielseitiges Auto nehmen kann, ohne Allrad und mit tieferem Boden. Aber das eigentlich Interessante an diesem Kapitel war eigentlich mein wunderlicher Wandel von brüsker Ablehnung hin zu einem größeren Verständnis. Kann Werbung uns mit genügend Geschick vielleicht zu jedem Produkt hindrehen?







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