Motorsteuerung

Das ist ja schon ein merkwürdiger Begriff. Man kann ein Schiff steuern oder ein Auto um die Kurve, was übrigens eine Regelung und keine Steuerung im eigentlichen Sinne ist, aber einen Verbrennungsmotor?
Wie ist das eigentlich beim Starten? Im Grunde werfe ich doch (mit dem Anlasser) den Motor an. Woher weiß der denn, was er danach zu tun hat? Und warum tut er das bisweilen nicht?
Dazu muss man sagen, dass der Verbrennungsmotor schon während des Anwerfens gesteuert (und auch ein wenig geregelt) wird, denn zur erfolgreichen Verbrennung gehören nun einmal Luft, Kraftstoff und, einen
Benzinmotor vorausgesetzt, ein Zündfunke. Den lassen wir in diesem Kapitel außen vor, sind uns aber völlig im Klaren, dass der zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erfolgen, also mindestens geregelt sein
muss.
Also die Zündung gehört auch zur Motorsteuerung, aber wegen ihrer Bedeutung für den einwandfreien Lauf des Benzinmotors und ihrer Komplexität, hat man sie in einem eigenen Kapitel outgesourct. Setzen
wir also einen oder inzwischen sogar mehrere genügend starke Zündfunken zur rechten Zeit voraus, bleiben nur noch Luft und Kraftstoff. Auch hier setzen wir zunächst eine Gemischbildung außerhalb des
Zylinders voraus.
Motorsteuerung ist hier zunächst so gemeint, dass sie nichts mit Elektrik zu tun hat. Es geht um das Öffnen und Schließen der Ventile, eigentlich ganz einfach, oder? Aber vielleicht haben Sie schon einmal
Gelegenheit gehabt, in einen ohne Ventildeckel laufenden Motor hineinzuschauen. Bei manchen Motoren geht das, ohne dass Öl überall hin spritzt, allerdings wohl nur im Leerlauf. Aber schon
dieser Anblick vermittelt eine Vorstellung von der enormen Schnelligkeit der Vorgänge.
Wie das bei einer bis zu zehnfach gesteigerten Drehzahl aussehen mag, kann man sich kaum noch vorstellen. Wenn Sie allein den Leerlauf betrachten und die für einen Benzinmotor fast geringstmögliche
Drehzahl von 600/min annehmen und Ein- bzw. Auslassventil nur für die Dauer ihres jeweiligen Taktes, also eine halbe Umdrehung der Kurbelwelle geöffnet sein lassen, dann ergeben sich bei 600/min durch
60 durch 2 5/sec, also 1/5 Sekunde oder 200 ms.
Bevor also die Sekunde zu Ende geht, hat das jeweilige Ventil schon wieder geöffnet, mit dem Auge entsprechend schwer nachzuvollziehen. Übrigens, bei dem oben angenommenen Faktor 10 wären das bei
6000/min nur noch 20 ms. Da kann man sich leicht vorstellen, dass bei der Trägheit von Gassäulen diese z.B. durch früheres Öffnen zur Bewegung animiert werden müssen, sogar bei höheren
Drehzahlen in Grad Kurbelwinkel früher als bei kleineren.
Damit haben wir schon einen wichtigen Gradmesser für das Öffnen und Schließen der Ventile genannt. Wiederum kaum nachvollziehbar, dass der winkelgradegenau eingehalten werden soll. Immerhin müssten
wir ja schon bei Leerlauf die 200 ms durch 180° für eine halbe Umdrehung teilen. Sagen wir grob eine Millisekunde pro Winkelgrad. Wieder der Vergleich mit Höchstdrehzahl 6000/min: eine Millisekunde pro 10
Winkelgrade. Es vergeht also hier nur eine Tausendstel Sekunde und die Kurbelwelle hat sich um 10 Grad weiter gedreht.
Die exakte Justierung der Öffnungszeiten ist also umso entscheidender, je höher der Motor dreht. Für den Leerlauf oder gar Starterbereich bis 300/min bedeutet das, der Motor könnte auch anspringen, wenn
die vorgeschriebenen Öffnungszeiten von den Ventilen nicht ganz eingehalten werden. Würden die also zylinderweise vertauscht werden, was bei einer konventionellen Motorsteuerung gar nicht geht, würde das
Gleiche passieren wie bei vertauschten Zündkabeln, es gibt Fehlzündungen, anspringen kann der Motor nicht.
In amerikanischen Videos sieht man oft, dass dort selbst sehr alte Motoren, die jahrelang nicht gelaufen sind, mit Gewalt und Startpilot wieder zum Leben erweckt werden. Abgesehen von der mangelnden
Rücksicht auf den Zustand des Innenlebens zeigt diese Methode doch, dass ohne funktionierende Benzinzufuhr nur noch das Regelsystem der Motorsteuerung übrig bleibt. Denn die Zündung hat ja nichts mit
dem Ansaugen und Ausstoßen zu tun.
Takt | Einlassventil | Auslassventil |
Verdichten | geschlossen | geschlossen |
Arbeiten | geschlossen | geschlossen |
Ausstoßen | geschlossen | offen |
Wenn diese Richtlinien einigermaßen eingehalten werden, dann müsste der Motor anspringen. Man könnte das also durch Abnehmen des/der Ventildeckel/s und Herausschrauben der Zündkerze kontrollieren, ohne sich
um die sogenannten Steuerzeiten Gedanken zu machen. Einfachen Stab durchs Kerzenloch, Bewegung des Kolbens kontrollieren und gleichzeitig beachten, welches Ventil gerade geöffnet ist.
Es könnte sogar noch die Zündkerze einen kleinen Funken ungefähr zu Beginn des Arbeitstakts abgeben. So einfach ist das? Ja, es ist so einfach, allerdings fehlt es jetzt nur noch an der Luft. Nein, rein
kommt sie durchs Ansaugen, aber sie muss auch komprimiert werden und darf dabei durch Undichtigkeit nicht entweichen. Also auch noch die Kompression prüfen.
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