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 Produktion 1



Vergleicht man die Herstellung von Pkws mit der von Lkws, dann fällt zunächst die größere Fläche auf, die ein Lkw-Werk benötigt. Das merkt man auch schon bei einem Besuch der Nutzfahrzeug-IAA, wo die Wege trotz deutlich weniger Anbietern wesentlich länger sind als beispielsweise bei den Pkws in Frankfurt oder gar in Genf.

Das größte Lkw-Werk der Welt von Mercedes in Wörth produziert auf knapp 3 km2 ca. 470 Fahrzeuge pro Tag, VW in Wolfburg 3.800 auf gut der doppelten Fläche. In Wörth werkeln knapp 11.000 Beschäftigte, in Wolfsburg etwa 54.000, also fünf Mal so viele Mitarbeiter für acht Mal so viele Fahrzeuge.

Der Lkw-Bau ist also von wesentlich mehr Handarbeit geprägt. Übrigens ist das bei der Herstellung von Bussen noch intensiver, wodurch sich hier auch noch einmal die Preise weit mehr als verdoppeln können. Einen Actros gibt es mit der üblichen Ausstattung ab 100.000 Euro, wobei von der schier endlos erscheinenden Menge von Zusatzausstattungen und Sonderwünschen noch zu berichten wäre.


Die grundsätzlichen Unterschiede resultieren schon aus dem Aufbau. Der Pkw besteht nämlich im Prinzip aus Bodengruppe mit integriertem Antrieb und der Karosserie, der Lkw aus Rahmen mit Fahrwerk, Antriebseinheit und Fahrerhaus. Deshalb gibt es beim Lkw neben der sogenannten 'Hochzeit', dem Aufsetzen des Fahrerhauses wie beim Pkw der Karosserie, noch die 'Verlobung', dem Einbau des Motors mit angeflanschtem Getriebe.


OM 471: 228 kW (310 PS) bis 390 kW (530 PS)

Der Rahmen, bestehend aus zwei Längs- und vier damit verschraubten Querträgern, sieht aus wie Teile eines früheren Märklin-Baukastens. Es sind so viele Bohrungen vorhanden, dass man zusätzlich von deutlicher Gewichtserleicherung sprechen kann. Das ist aber gewiss nicht der einzige Grund. Es ist die Regel, dass zumindest zwischen den Achsen nicht mehr gebohrt werden darf. Das hört sich schon fast nach Motorrad-Leichtbau an.


Alle Zulieferer müssen also ihre Möglichkeiten des Anbaus finden. Dabei sind z.B. Hersteller von Kippeinrichtungen (Bild unten) gehalten, auf den Rahmen noch einmal einen stabilen draufzusetzen und zusätzlich noch einen Kasten, der natürlich ebenfalls selbsttragend sein muss. Sogar die Enden des Chassis-Aufsatzes müssen hierbei sorgfältig geplant sein, dürfen sich z.B. bei bestimmten Verwindungen nicht in das Chassis einarbeiten.


Immerhin zwischen zwei verschiedenen Längen kann man auch beim Actros-Rahmen wählen, aber beim Pkw bestimmt nicht die Materialdicke, die hier mit 7, 8, oder 9 mm angegeben wird. Sogar zwei verschiedene Rahmenbreiten werden angeboten, die kleinere für besonders harte Bedingungen. Demnach werden Hunderte Schrauben mit z.T. exotisch anmutenden Muttern verwendet. Damit keine vergessen wird, sind sie für jede Konfiguration mit Laser auf dem Rahmen vorgezeichnet. Eine gegenüber dem Pkw völlig andere Welt.


Einen Lkw-Rahmen kann man, anders als eine Pkw-Karosserie, mit geeigneten Kettenzügen leicht umdrehen und die bis zu 900 kg schweren Achsen mit dem Kran hineinhieven, beim schweren Lkw immer noch vorne und hinten starr, aber immerhin wahlweise mit Luftfederung. Und danach wieder drehen und, wieder anders als beim Pkw, der Motor samt Getriebe kommt von oben hinein. Halt, vorher wird der Motor noch glanzlackiert und das Chassis erhält Einheitsfarbe, wenn hier nicht doch ein Sonderwunsch geäußert wurde.


Die Bleche für das Fahrerhaus sind natürlich dicker. Auffällig ist, dass die Roboter es zusammensetzen und es ohne große Aktion zur Fixierung direkt verschweißt wird. Wie auch die toleranz der Messsysteme von 5 Hundertstel zeigt, sind die beim Lkw etwas größer. Keinen Pardon gibt es allerdings mit der Rostvorsorge. Kataphorese mit komplettem Eintauchen muss sein. Auch die Fehlersuche direkt nach Decklackauftrag und sogar nach der Endmontage nötig Respekt ab.


Alles wird mitlackiert, anders als beim Pkw alle Anbauteile. Lacke können fast wie beim Rolls ausgesucht werden, z.B. nach dem Lippenstift der Frau des Transportunternehmers oder der Unternehmerin. Die Anzahl von Spezialwünschen scheint größer als beim VW Golf zu sein. Ähnlich auch das Türen-Management außerhalb der Endmontage. Und dann der Auftritt des Besonseren: Die riesige Windschutzscheibe wird vom Roboter an der Klebepistone vorbeigeführt und dann auch punktgenau eingesetzt. Beim Pkw wird der Rahmen geprimert und die Windschutzscheibe von Hand justiert.


Im Werk wird in fünf Tagen die Woche mit zwei Schichten in jeweils sechs Stunden ein Lkw montiert. Alles, was angeliefert wird, muss sehr gut mit der Produktion verbunden sein. Im Idealfall sind die Sitze, die eingebaut werden, gerade erst angeliefert worden. Allerdings ist man von dem völligen Verzicht auf Lagerhaltung wieder etwas abgerückt, denn bei rollenden Lagern kann so manches schiefgehen. Viel beeindruckender als die 550 Lastwagenladungen pro Tag ist das Verhältnis zwischen Automation und verbleibender Handarbeit und noch furchterregender die Kontrolle derselben.

Da geht z.B. das Einschieben der Kolben samt Pleuel schneller als das Scannen derselben. Im Grunde wird jede Tätigkeit überprüft. Man könnte boshaft formulieren, dass, wenn im Werk eine Schraube verloren geht, irgendwann die Produktion stillsteht, weil zum einen die Schrauben abgezählt sind und zum anderen fast jede Schraube dokumentiert werden muss, weil es sonst nicht weiter geht.


Beispiel gefällig: Roboter können offensichtlich noch nicht sicher in kleine Transportkisten greifen und verschiedenste Gegenstände zum Einbau am Band herausholen. Das macht der Mensch, dem allerdings durch Leuchten angezeigt wird, was er zu greifen hat und durch Zahlen, wie viel davon. Findet der allgegenwärtige Computer nicht alle nötigen Gegenstände im Transportgestell vor, lässt er den Mann nicht aus dem Gang heraus.


Bisweilen merkt sich der Computer auch das Drehmoment, das er selbst eingestellt hat, z.B. an sicherheitsrelevanten Bauteilen. An anderer Stelle gibt es für jede Schraube einen eigenen Akkuschrauber mit dem entsprechend eingestellten Drehmoment. Unter diesen Umständen verwundert es, dass man überhaupt ein Fünftel der Produktion als Teilesatz in Transportkisten verschickt. Vermutlich wird noch alles auf dem Festland einigermaßen erreichbare mit ganzen Fahrzeugen versorgt.


Bisweilen sorgen aber auch Steuer- oder Zollgesetzgebung für Teilanlieferung. Ein ganzer Lkw passt auch nicht in einen Container und offensichtlich ist nur der ein Garant für einen günstigen Transport. Die eigene Schreinerei sorgt mit hoher Verantwortung für eine konfliktfreie Reise, testet bisweilen sogar die Verhältnisse bei wochenlangem Seeweg. Und natürlich wird der vorhandene Raum möglichst vollständig ausgenutzt.


Für die Montage des jeweils aus den unglaublich vielen Möglichkeiten existiert eine reich bebilderte Anleitung. Zusätzlich übt man den Zusammenbau in Wörth und auch noch am Empfangsort. Man hat das Gefühl, auch hier wird nichts dem Zufall überlassen. Vermutlich wird dann auch dorthin weitgehend immer der gleiche Lkw geliefert. Im Film heißt es, dass eine Schraube nicht nur am falschen Platz ungünstig sei, sondern auch an anderer Stelle fehle.


So, das waren jetzt sehr viele Spezialitäten des Lkw-Baus, die so bei den Pkws nicht vorkommen, auch deshalb nicht, weil es für so viele Sonderbearbeitungen gar keine Möglichkeiten gäbe. Früher war das allerdings z.B. für Spanien aktuell, wohin Fiats in Teilen geschickt und die dort als Seats zusammengebaut wurden, nicht selten sogar mit gravierenden Veränderungen, evtl. einem Diesel- statt einem Benzinmotor.


Was dann wieder gleich ist, die Endkontrolle und der Testlauf für viele Funktionen. Auch gewisse Besonderheiten bei der Abholung gibt es, wenn auch nicht so variantenreich wie beim Pkw. Dort können Sie z.B. zwischen drei verschiedenen Werksbesichtigungen wählen. Aber dass Ihnen zum neuen Fahrzeug alle Funktionen erklärt und alle Fragen beantwortet werden, das gibt es auch in Wörth.









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