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 Sturz und Nachlauf




Die große Ausnahme bei der Citroën-Göttin: Vorne deutlich mehr Spurweite als hinten.

Man kann nur hoffen, Sie haben die Arme zwischenzeitlich einmal sinken lassen, um sich auszuruhen. Denn jetzt geht es in eine weitere Runde. An der Stellung dieser beiden Achsschenkelbolzen können wir noch viel lernen. Bevor wir aber das Gedankenspiel jetzt weiter betreiben, hier noch ein relativ einfacher Begriff.



Es ist die 'Spurweite', definiert als Abstand zwischen den jeweiligen Mitten beider Räder einer Achse. So einfach er ist, ganz ohne Grund wird er nicht auch bei modernen Fahrzeugen in die spärlich gewordene Auflistung der technischen Daten aufgenommen. Es ist auch der Vergleich vorne/hinten, der dieses Maß so wertvoll macht. Wo stützt sich der Wagen mehr seitlich ab, vorne oder hinten? Wo ist die Masse z.B. durch die Antriebseinheit größer?

Aus diesen Vorbemerkungen mögen Sie erkennen, dass die beiden Spurweiten vorne und hinten selten genau gleich sind. Gewiss hat es früher so eine Art Einheitsfahrwerk gegeben, oft kombiniert mit einer Starrachse, die dann zumindest eine Spurweite vorgab. Darauf dann verschiedenste Karosserien, deren oft enorme seitliche Überstände den Konstrukteuren (und wohl auch dem Publikum) egal waren.

Dann kam die erste Phase von wählbarer breiterer Bereifung, wobei sich nur bei dieser ein einigermaßen stimmiges Bild ergab. Da aber die Reifen für den Winter immer die schmäleren waren und eigentlich auch sein sollten, ergab sich hier ein z.T. schauerliches Bild. Das alles hat sich durch die inzwischen immer außen bündige Bereifung gründlich und zum Wohle der Ästhetik geändert.



Das liegt an den unterschiedlichen Einpresstiefen der Felgen, die nunmehr in der Lage sind, schmälere Reifen mehr nach außen zu rücken. Mit der 'Einpresstiefe' (ET) wird der Abstand zwischen der Mitte der Felge und der Anlagefläche der Felgenschüssel zur Radnabe hin bezeichnet. Positiv ist sie, wenn diese Anlagefläche weiter außen liegt als die Felgenmitte, wird also immer kleiner, je weiter sie den Reifen nach außen rückt und kann natürlich auch negativ werden.



Hier sehen Sie eine extrem große Einpresstiefe bei einem Lkw-Reifen. Der braucht die aber auch, weil z.B. zwei von diesen Rädern zueinander entgegengesetzt als Zwillingsräder auf die Antriebsachse montiert werden. Unten das wilde Beispiel einer negativen Einpresstiefe durch verkehrt herum montiertes Rad, aus mehreren Gründen so nicht im Straßenverkehr erlaubt und zumindest auf der Vorderachse mit Sicherheit Probleme bereitend.

Die Spurweite hängt also auch von der Einpresstiefe ab, kann sich durch Montage anderer Felgen verändern. Dass sie immer an der angetriebenen Achse am größten ist oder dort, wo die meiste Masse ist, kann man heutzutage nicht mehr sagen. Es gibt halt viel mehr Möglichkeiten der Beeinflussung. Trotzdem haben wir das Bild mit dem Citroën ID diesem Kapitel vorangestellt, bei dem man Frontantrieb und viel Gewicht auf der Vorderachse durch einen extremen Unterschied bei der Spurweite vorn/hinten zu kompensieren suchte.

So, Sie können sich schon einmal zum zweiten Versuch bereitmachen. Also diesmal wieder die Arme schön weit auseinander. Sie wissen schon, dass Sie eine vordere Starrachse darstellen, die es heute nur noch bei einem Original-Geländewagen und beim Lkw gibt? Bitte halten Sie diesmal die Achsschenkelbolzen nicht genau senkrecht, sondern beide um den gleichen Betrag jeweils etwas oben nach hinten gekippt.

Ja, was soll denn das, höre ich Sie jetzt sagen. Da drehen sich die Vorderräder beim Lenken doch tatsächlich um Achsen, die oben nach hinten ragen. Fachlich korrekt ausgedrückt würde man sagen, der 'Sturz' ändert sich beim Einlenken. Sturz, das ist zunächst nichts anderes als der Winkel, den das Rad zur vertikalen Achse hat. Kippt das Rad oben nach außen, bezeichnet man ihn als positiv, nach innen als negativ.

Schade eigentlich, dass der deutlich negative Sturz fast ausgestorben scheint. Kam noch bis vor einiger Zeit ein F1-Wagen (im Fernsehen) auf Sie zu, dann konnten und können Sie vielleicht auch noch deutlich sehen, dass die Vorderräder mehr negativen Sturz haben als die Hinterräder. Oder die aufgemotzten Fahrwerke, beispielsweise eines alten VW-Käfers. Wenn damit zu viel geradeaus gefahren und zu wenig durch Kurven geheizt wurde, waren die Laufflächen innen blank und außen noch fast neuwertig.

Ohne jetzt, wie bei Fans üblich, den negativen Sturz überbewerten zu wollen, sagen wir nur, der negative Sturz hilft, die Neigung des Fahrzeugs in der Kurve auszugleichen, also auch in der Kurve möglichst viel Profil auf die Fahrbahn zu bringen. Fatal wäre, der Winkel der Reifens zum Fahrzeug bliebe gleich. Das könnte die Kippneigung des Wagens in der Kurve vergrößern. Anders formuliert, das Fahrzeug stützt sich mit negativem Sturz in der Kurve besser ab.



Hier der F 400 Carving von Mercedes mit extrem negativem Sturz von bis zu 20°. Der gleicht hier sicher nicht nur die Seitenneigung aus. Etwa 3° gelten als die absolute Grenze für irgendwie noch sinnvollen negativen Sturz und dieser Prototyp hat jetzt gerade auf der Außenseite schon mehr. Das ist hier aber durch eine besondere Fahrwerkstechnik begründet.

Bei normalen Straßenfahrzeugen muss sich auch die adäquate Seitenneigung einstellen, sonst verschlechtert sich der Seitenhalt in Kurven sogar. Verrückt aber wahr: wer mit viel Sturz dauernd nur Langstrecke auf der Autobahn absolviert, fährt die Reifen nicht nur einseitig ab, sondern hat auch einen deutlich schlechteren Geradeauslauf.

Aber was hat das jetzt mit den vermaledeiten Achsschenkeln zu tun, die Sie vielleicht noch immer nach hinten gekippt in Ihren Fäusten halten? Ganz einfach, als kurveninneres Rad kriegt es mehr positiven und als kurvenäußeres mehr negativen Sturz. Um nicht mit zwei Begriffen arbeiten zu müssen, nennt man die Neigung der Achsschenkelachse oben nach hinten den (immer positiven) 'Nachlaufwinkel'.



Neben diesem Winkel gibt es auch noch eine in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzende Nachlaufstrecke. Das Bild oben zeigt sie sehr deutlich als Strecke an, die das Rad dem Durchstoßpunkt der Schwenkachse durch die Fahrbahn hinterherläuft. Früher hat man es als das Prinzip des Teewagens bezeichnet, heute wäre es das des Einkaufswagens. Drehen Sie dessen Fahrtrichtung um, richtet sich das Rad entsprechend neu aus.

Der Durchstoßpunkt der Schwenkachse durch die Fahrbahn wird übrigens 'Spurpunkt' genannt. Dessen Abstand zum Mittelpunkt der Aufstandsfläche des Reifens ist die 'Nachlaufstrecke'. Je größer die ist, desto stärker die Bereitschaft des Rades, seinem Spurpunkt hinterherzulaufen.



Leider werden sogar in Teilen der sogenannten Fachliteratur die beiden Begriffe Nachlaufwinkel und Nachlaufstrecke zu dem 'Nachlauf' vermengt. Von dem wird dann behauptet, er würde den Geradeauslauf stabilisieren helfen. Dazu schauen wir uns oben und unten dieses krasse Beispiel an: An einem Zweirad mit zweifellos sehr viel Nachlaufwinkel wird die Lenkstange um 90° gedreht.



Was wollen uns die beiden Zeichnungen sagen? Wird sich der vordere Rahmen durch das Einlenken eher absenken oder anheben? Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, er senkt sich, was bedeutet, das Gewicht, dass auf diese Lenkung wirkt, sorgt also eher für ein Einlenken als für eine Rückstellung. Somit müssten alle diese Bemerkungen über die Wirkung von Nachlauf falsch sein.

Sie werden vielleicht einwenden, dass man dann mit dem Fahrrad nicht freihändig fahren könnte. Kann man aber. Dazu hier noch ein Versuch, den Sie an jedem beliebigen Fahrrad selbst durchführen können. Sie messen einfach den Abstand des vorderen Rahmens bis zum Boden ausgehend von Geradeausstellung bis zu extremem Lenkungseinschlag.

Was werden Sie beobachten? Dass sich anfangs sehr wenig ändert an diesem Maß, die Höhe des Rahmens vorne einigermaßen konstant bleibt. Erst wenn der Lenkeinschlag ein Maß weit über das freihändige Fahren hinaus erreicht hat, senkt er sich bis hin zur 90°-Stellung. Wie ist nun dieser eigenartige Effekt zu erklären?



Die beiden Bilder oben und unten zeigen es: Obwohl der Nachlaufwinkel in beiden Fällen gleich ist, kann die Nachlaufstrecke durchaus verschieden sein. Und genau die sorgt für die Stabilität z.B. beim freihändigen Fahren. Das wäre übrigens mit dem Rad auf dem Bild unten unmöglich. Vermutlich ginge es noch nicht einmal ohne Schlenker geradeaus. Die Nachlaufstrecke wird übrigens auch 'Nachlaufversatz' genannt.



Das Rad läuft also seinem Spurpunkt hinterher. Nun erweckt sogar die Fachliteratur den Eindruck, als würde das Fahrzeug beim Lenken durch den Nachlauf angehoben. Wenn Sie sich aber einmal in Ruhe das Bild mit dem Fahrrad anschauen und in Gedanken das Vorderrad um 90° einlenken, erkennen Sie unschwer, dass der vordere Aufbau des Fahrrads nicht angehoben sondern abgesenkt wird.

Noch einmal genauer herausarbeiten müssen wir bei diesem Bild, dass zu einem Nachlaufwinkel eine zusätzliche Nachlaufstrecke gehört. Wenn nicht, müssten Lenkachse und Senkrechte von der Radmitte am Boden zusammenkommen. Und jetzt erklärt sich, warum man mit einem normalen Fahrrad freihändig fahren kann und der Lenker nicht schlagartig zur Seite klappt, wenn man ihn loslässt.







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