Heinrich Nordhoff
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Die Eltern als Vorbild, in diesem Fall der Vater, der zunächst um 1910 den Zusammenbruch seines Arbeitgebers, einer Bank, erleben muss und
es dann, in einem neuen Anlauf in Berlin, zu einem der beiden
Direktorenposten schafft. Heinrich Nordhoff, 1899 geboren, kann sein im Ersten Weltkrieg begonnenes Studium erst 1927 als Diplomingenieur
beenden. Obwohl sein Interesse eher dem Schiffsbau gilt, beginnt er im
Flugzeugbau bei BMW.
Schon nach zwei Jahren findet er ausgerechnet in der Krise 1929 die Firma, der er sich noch bis nach 1945 verbunden fühlen wird, General
Motors in Gestalt von Opel Deutschland. Erst langsam macht er dort
Karriere, lernt zwischendurch auch Verkauf und Fertigung in USA kennen. Nicht zum ersten Mal wird amerikanisches Knowhow später VW
zugutekommen.
Eigentlich hat ja Opel mit dem P4 den Kleinwagen im Gepäck, der dem späteren VW-Käfer bei realistischem Preisvergleich sehr nahekommt.
Aber als inzwischen ausländische Firma hat man bei Hitler keine
Chance. Nordhoff wird den Käfer als verwöhntes Kind empfunden haben. Bei Opel macht er Karriere, gehört ab 1936 der Geschäftsleitung an.
Und dann kommt 1942 ein besonderer Part auf ihn zu, die Leitung der Opel-Werks in Brandenburg. Die europaweit größte Produktion kann
trotzdem die Anforderungen des Krieges nicht erfüllen, so dass sogar
Mercedes gegen Kriegsende gezwungen wird, den Opel Blitz und nicht den eigenen als Einheitswagen zu bauen. Nordhoff ist damit als ein
Wirtschaftsführer zu NS-Zeiten für eine Wiedereinstellung bei General
Motors nach dem Krieg verbrannt.
Er arbeitet in einer Opel-Vertretung, bis er offensichtlich Ivan Hirst, dem damaligen Leiter des VW-Werks auffällt. Nicht nur der, auch führende
britische Militärs sind von den Qualitäten Nordhoffs überzeugt.
Immerhin war Nordhoff u.a. nicht der Partei beigetreten, ein ziemlich einmaliger Vorgang für den Leiter eines Werks in der NS-Zeit. Und Nordhoff
schafft es sogar noch, sich umfangreiche Vollmachten zu sichern.
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Ab Anfang 1948 führt er das Werk. Das wäre jetzt ein guter Moment, sich das Video unten anzuschauen, solange es noch verfügbar ist. Das klärt
ein wenig die Voraussetzungen für diesen Job. Die wenigsten Briten sind von
der Qualität des Käfers überzeugt, auch Nordhoff anfangs nicht. Und nicht nur ein Elon Musk hat in seinem Werk übernachtet, auch der damals
neue Chef von VW, allerdings auf einem
Feldbett und das angeblich 6 Monate lang.
Das Werk ist immer noch ein Torso, zu 65 Prozent von den Gebäuden, aber vor allem zu 80 Prozent von den Produktionseinrichtungen her im
Krieg zerstört. Man kann es heute kaum glauben, aber die
angeblich 7.000 Arbeiter treibt nicht der Gedanke an ein eigenes Fahrzeug an, sondern, wie auch Nordhoff selbst, schlicht der Hunger. Berühmt
geworden ist sein Angebot von Partnerschaft an die Belegschaft, die
er als 'Arbeitskameraden' bezeichnet.
Allerdings hat der neue Chef auch Ziele, die von Vielen als unmöglich bezeichnet werden, nämlich eine Vervierfachung der Produktion. Zur Hilfe
kommt ihm die Währungsreform im gleichen Jahr, die zwar nur
einen Bruchteil der RM-Milliarden in Form von DM übriglässt, dafür aber eine Währung, an die man glauben kann. Es wird Unglaubliches vom
Warenangebot berichtet, dass vorher zurückgehalten, plötzlich in den
Läden zur Verfügung steht.
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Nordhoff wird erst später bekannt als jemand, der seinen Arbeitern/innen fast noch mehr Lohn zahlt, als die Gewerkschaften fordern. Zu den
Anfangszeiten hat er die Zügel sehr kurzhalten müssen, weil wirklich
niemand, auch nicht die Bundesregierung, die das Werk gerade seiner Bestimmung übergeben hatte, in selbiges investieren will. VW hat den
Aufstieg aus eigener Kraft geschafft. Immerhin wird eine Kantine
gegen den Hunger geschaffen.
Beim Wiederaufbau kommen Nordhoff seine Erfahrungen mit den Produktionsmethoden in USA zustatten. Allerdings gelingt es weder einem
Werksvertreter noch ihm, die Amerikaner schon 1949 von den
Fähigkeiten des VW-Käfers zu überzeugen. Trotzdem gibt es 1948 einen bedeutenden Exportanteil von Fahrzeugen. Und mit den Einnahmen
entstehen Wohnungen für die Mitarbeiter und so allmählich die
Infrastruktur einer Stadt.
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Man hat Nordhoff immer wieder seine Ein-Modell-Politik vorgeworfen, ohne zu berücksichtigen, dass dies eigentlich nur ein oberflächlicher Blick
ist. Natürlich hat man bei VW alles unternommen, mögliche
Fremdherstellungen mit Käfer-Bauteilen zu unterbinden, sogar deren Lieferung als Neuteile abgelehnt. Gleichzeitig gibt es aber eine Verbindung
zu Karmann, die nicht nur den Nachfolger des Hebmüller-Cabrios,
sondern auch nach und nach die Karmann-Ghia-Modelle ergibt.
Und nicht zu vergessen die Typen 2 und 3 ab 1950 und 1961. Für Erstere entsteht sehr bald ein neues Werk in Hannover. Den 411 hat Nordhoff
nicht mehr ganz verantwortet. Außerdem wäre die Ein-Modell-Politik
angesichts der Erfolge von Henry Ford mit seinem Model T nicht ehrenrührig gewesen, man hätte sich allerdings stärker mit dessen späterem
Schicksal befassen müssen. Vermutlich hat das Festhalten
an Heckmotor und Luftkühlung VW beinahe die Existenz gekostet.
Prototyp für den später in
Serie gefertigten Typ 311 . . . |
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Die Werke in Braunschweig und Kassel bilden zusätzliche Standorte für Teileproduktion. Zusätzlich entsteht in Letzteren das System der
Aufbereitung bzw. des Austauschs, das man heute als 'nachhaltig'
bezeichnen würde. Früher diente es effektiv der Kostensenkung für die Kunden. Was sofort zum Thema 'Kundendienst' führt. Dass Nordhoff hier
einen besonderen Focus drauflegte, hat wohl sehr zum Erfolg im
Ausland und besonders in USA beigetragen.
Dem Export, der sogar als Modellname benutzt wurde, folgt schließlich die Produktion mit Werken in Brasilien, Mexiko und Südafrika. So ein Erfolg
hinterlässt Zwänge, von denen auch ein Heinrich Nordhoff
nicht gefeit ist. Er wird in späteren Jahren immer mehr zum Kontrolleur. Wohl dem, der sich als Chef mehr auf die Auswahl geeigneter Mitarbeiter
beschränkt und Aufgaben deligieren kann.
Man wirft ihm vor, dass er sich z.B. bei den Feierlichkeiten zum millionsten Käfer wie ein König habe feiern lassen (Video oben). Andere
beschreiben ihn eher als in sich gekehrt. Bescheidenheit ist eine Tugend, die ihm
allerdings Viele zuordnen würden. Kaum einer weiß z.B. von seinen Fähigkeiten als Gärtner exotischer Pflanzen, aber auch der Teilnahme an
Großwildjagden, gerne auch mit der Kamera.
EA 266 von 1969 als von
Porsche geplanter Käfer-Nachfolger . . . |
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Natürlich wird so einem Erfolgreichen die Ehrendoktorwürde von mehreren Universitäten angetragen, zusätzlich der Professorentitel von der TH in
Braunschweig. Er wird zum Ehrensenator der TU Berlin ernannt. Die
übrigen Ehrungen können Sie im Internet nachlesen. Heinrich Nordhoff stirbt 1968 an einem Herzinfarkt.
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