|
Geschichte - 1920/1
Diese Zeit markiert einen Wendepunkt in der Entwicklung des Automobils. Nicht wenige Kenner auch aus dieser Zeit halten spätestens Ende der 20er den Benzin-Pkw - den Diesel gibt es noch nicht - für weitestgehend
fertig entwickelt. Natürlich ist hier die Mechanik gemeint, weniger die Hydraulik oder gar die Elektrik/Elektronik. Als ein Beispiel mag gelten, dass es schon erste (Renn-) Motoren mit zwei obenliegenden Nockenwellen gibt.
Es ist damit auch die Zeit, in der sich Leute trauen können, ein Auto für den fast täglichen Gebrauch ohne Chauffeur zu betreiben. Sogar das Maß der Reparaturen wird als auf einem vernünftigen Niveau
befindlich eingeschätzt. Allerdings sind daran die Bedingungen geknüpft, z.B. ein enormer Wartungsaufwand und die umgehende Behebung kleinerer Fehler und ein solches Fahrzeug möglichst nicht zu überfordern.
Das ist auf dem deutschen, noch relativ unausgebauten Straßennetz nur schwer zu realisieren, während man das französische schon fast als Vorbild ansieht. Entsprechend sollen aber auch die Autos für die
unterschiedlichen Zwecke gut ausgewählt sein. Dabei gleichen sich die französischen im Sinne eines erfolgreichen Exports langsam an. Trotzdem unterscheidet man noch grundsätzlich zwischen schwer
gebauten, auch für höhere Ansprüche geeigneten Fahrzeugen und den solchen Strapazen nicht dauerhaft gewachsenen Mobilen.
Noch eine lange Zeit werden Hersteller bemüht sein, eine Straße mit sogenanntem Kopfsteinpflaster aus jener Zeit zu retten, um auch moderne Fahrzeuge dieser Tortur aussetzen zu können. Inzwischen sind
diese Zeitzeugen früherer Straßenbaukunst völlig verschwunden, kommen bisweilen zum Vorschein, wenn aus irgendwelchen Gründen der Asphalt aufgerissen werden muss. Was bedeutet, dass trotz
wesentlich geringerer Geschwindigkeiten Fahrzeuge jener Zeit wesentlich höheren Beanspruchungen ausgesetzt sind als heute.
Ein Manko hat sich aber auch danach noch sehr lange gehalten, das der mangelnden Leistung. Das liegt wohl an den im Falle größerer Motoren wesentlich höheren Anschaffungs- und Betriebskosten, die man
bei der Neuanschaffung bisweilen zu sehr im Blickfeld hat, um hier gewisse Reserven zu schaffen. Welcher Motor wird heute einigermaßen dauerhaft an der Leistungsgrenze betrieben? Damals hat man z.B. bei
der Wahl von Übersetzungen weniger über Schonung und geringen Verbrauch nachgedacht. Es ist eher die Sorge, man könnte dem Hersteller nachweisen, dass die Katalogleistungen nicht erreichbar seien.
Leuten, die in bergiger Landschaft wohnten, empfiehlt man andere Autos als solchen aus dem Flachland.
Eigenartigerweise gibt es auch bei dem noch recht geringen Motorisierungsgrad in Deutschland die Unterscheidung zwischen Reise- und Stadtwagen. Auch wird die Möglichkeit erwähnt, letzteren als
Zweitwagen zu ordern. Dabei steht keineswegs ausufernder Luxus im Vordergrund, sondern die Kostenrechnung. Angeblich verschlingt ein großer Wagen, der auch in der Stadt benutzt wird und dort z.B. leicht
verunfallen kann, erheblich höhere Kosten als die Anschaffung eines Kleinwagens.
Smart-Besitzer/innen würden ihre Freude haben, wenn heute wie schon damals ein Zweisitzer allgemein empfohlen würde. Betont wird hier die viel größere Wendigkeit, wobei nicht nur der geringere Radstand
gemeint ist, sondern vermutlich noch mehr die wesentlich geringeren Bedienungskräfte. Auch fällt auf, das selbst Reisewagen als offen angepriesen werden mit der einzigen Einschränkung, sich bei Bedarf gegen
die Unbilden des Wetters gut schützen zu können.
Der Bau geschlossener Karosserien scheint zwar auf dem Vormarsch, hat aber zu jener Zeit noch eine gewisse Strecke vor sich. Das wird natürlich begünstigt, weil es noch keine selbsttragende Bauweise gibt.
Übrigens ist noch nicht einmal die Ganzstahlkarosserie in der Serie angekommen. In Frankreich beginnt man gerade mit der Einrichtung der ersten Fließbänder. Man kann es ahnen, die Preise für ein Auto sind
sehr hoch, ein Reisewagen für die Mittelklasse der Bevölkerung unerreichbar, wenn damit nicht Geld verdient wird. Auch ist es bis knapp 1924 die Nachkriegszeit mit einer ersten ausufernden Inflation in
Deutschland.
Ein Fahrzeug, das auch nur annähernd die heutige Jahresfahrleistung von weit über 10.000 km erreicht, ist nach fünf Jahren abgeschrieben, hat also Null Buchwert. Bei den Kosten hält sich die Steuer in
Grenzen, die Versicherung keineswegs, kein Wunder bei hohen Reparatur- und Wiederbeschaffungskosten. Ohne Garage geht fast gar nichts, am besten beheizt, dann muss das Kühlwasser im Winter nicht
jeden Abend abgelassen und morgens wieder aufgefüllt werden. Wenn wir heute 30 bis 50 Jahre alte Oldtimer hinsichtlich ihres Verbrauchs kritisch anschauen, so müssen wir für die hier beschriebene Zeit
mindestens noch einmal den Unterschied zu heute im Verbrauch hinzurechnen und das für noch einmal deutlich geringere Leistungen.
Der Kraftstoff ist zwar günstiger als heute (z.B. wegen der Mineralölsteuer), kann aber wegen des höheren Verbrauchs knapp 20 Prozent der Abschreibung erreichen. Interessant ist, dass die Kosten für Reifen
und Schläuche von der Fahrweise abhängig gemacht werden. Dabei ist keineswegs eine möglicherweise sportliche gemeint, die angesichts relativ weicher Federung und schmaler Räder ohnehin nicht möglich
ist, sondern das geschickte Umfahren von Hindernissen, die eine Gefahr für die Reifen und Schläuche darstellten. Neue vordere Reifen halten vielleicht 10.000 km, hintere wegen Antrieb dort oft nur 2.000 bis
2.500 km.
Die Reifen können also leicht die Hälfte der jährlichen Abschreibung erreichen, weshalb eine schonende Fahrweise hier noch mehr lohnt als beim Verbrauch oder bei der Haltbarkeit der Aggregate. Dabei hat man
schon von der ersten Zeit des 20. Jahrhunderts aus gesehen erhebliche Fortschritte bei der Herstellung von Reifen und Schläuchen gemacht. Immerhin sind inzwischen wohl auch eine Menge Hufnägel von den
Straßen verschwunden. Unter dem Strich ist also ein mit mehr als 10.000 km gefahrenes Auto in vier bis fünf Jahren zwei Mal zu bezahlen.
Schon damals wird vor Gebrauchtwagen gewarnt. Allerdings findet auch der Import von Fahrzeugen keine Gnade. Man muss dazu wissen, dass schon in Deutschland die einigermaßen schnelle Versorgung mit
Ersatzteilen ein Problem darstellt. Sollen diese aus dem Ausland geordert werden, wird die Sache fast unmöglich. Überhaupt steckt die Normung noch in den Kinderschuhen. So ist es im Gegensatz zu heute in
aller Regel nicht möglich, ein Fahrzeug nur aus Ersatzteilen neu herzustellen. Entweder gibt es sie nicht alle oder sie passen nicht auf Anhieb. Die nachträgliche, teure Anfertigung von Ersatzteilen ist keine
Seltenheit.
Beim Kauf von Gebrauchtwagen vermeidet man solche Engpässe am besten durch umso gründlichere Kontrolle. Man kann sich vorstellen, dass die sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Soll man schon zum
Neuwagenkauf jemanden mit Ahnung mitnehmen, dann gilt das bei einem Gebrauchten umso mehr. Erstaunlich, wie weit so eine Inspektion damals u.U. getrieben wird. Da wird in beinahe jedem Fall der
Vergaser genauer untersucht, die Zündung in Augenschein genommen und der Motor von Hand probegedreht, um die Höhe der Kompression zu spüren.
Die Ventildeckel kann man sich noch nicht abnehmen lassen, um bei laufenden Motor Bewegungen und Schmierung zu kontrollieren, denn die Motoren sind seitengesteuert, aber der Getriebedeckel ist, wie
auch immer, demontierbar. Und da es noch keine Synchronisation gibt, zeigen die dann sichtbaren Zahnräder den Grad der Malträtierung an. Aber Vorsicht, werden hier doch leicht völlig normale
Verunstaltungen zu stark bewertet. Es gehört eben Erfahrung dazu, so ein Auto zu bewerten, deshalb die sachkundige Begleitung.
|
|