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 Sicherheit 2




Papier sei geduldig, sagt man, das Internet vielleicht noch mehr. Es gibt sogenannte schlagende Argumente, deren Unterbau fraglich ist. Die sind in erster Linie plausibel, was fälschlicherweise mit 'zutreffend' verwechselt wird. Beispiel gefällig: Wenn bei 93 Prozent aller Unfälle der Faktor 'Mensch' eine Rolle spielt, dann kann man durch Autonomes Fahren 93 Prozent aller Unfälle verhindern.

An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen hat man diese Behauptung untersucht bzw. kritisch hinterfragt. Wichtig zu erwähnen, dass sich dort kein Nest von Fortschrittsgegnern befindet. Im Gegenteil, schon vor Jahren ist man in präparierten Testwagen mit Ausnahmegenehmigungen über die A4 gedüst und hat die Hände vom Lenkrad genommen, bzw. Autos sich selbstständig einen Parkplatz suchen lassen.

Übrigens wäre letzteres auch eine Lösung für unsere oft viel zu engen Parkplätze, wenn das mit der Breite von Autos so weitergeht, denn bei autonom einparkenden Autos braucht letztlich niemand aus- bzw. einzusteigen. Doch das sei nur nebenbei erwähnt und könnte sicher schon bald Standard werden.

Ja, auch autonom fahrende Autos sind nicht unfallfrei unterwegs, wie der tödliche Ausgang der Kollision eines Uber-Fahrzeugs mit einer Frau zeigt, die ein Fahrrad über die Straße geschoben hat. Angeblich war das Fahrzeug Level-4-tauglich, hat aber offensichtlich das die Frau mit dem Fahrrad nicht als solche erkannt. Der Fahrer soll mit seinem Smartphone beschäftigt gewesen sein.

Und obwohl in einem weiteren Fall einer Kollision eines schleudernden Pkw mit einen Fahrzeug der Google-Flotte letzeres keine Schuld trifft, hagelt es doch an Kritik. Denn auf dem Foto ist die Fahrbahn seltsam leergefegt. Es scheint, als hätte ein Mensch am Steuer noch Anstrengungen unternommen, dem anderen irgendwie auszuweichen. Offensichtlich ist das in der Google-Software noch nicht genügend verankert. Immerhin ist keine Person zu Schaden gekommen.

Sie mögen schon ahnen, dass natürlich auch das Autonome Fahren eine eigene Kategorie von Unfällen hervorbringen könnte. Das knabbert schon an der These von 'Zero Accidents'. Doch das sind zunächst einmal nur Spekulationen. Die Leute von der TH sind der Sache wesentlich weiter auf den Grund gegangen. Die haben sich zur Vorbereitung einer größeren wissenschaftlichen Arbeit erst einmal Unfallstatistiken der vergangenen Jahre angeschaut.

Signifikant ist z.B. die in Deutschland eingeführte Gurtpflicht, die sich auf die Anzahl der Todesopfer bei Verkehrsunfällen deutlich sichtbar ausgewirkt hat. Noch spektakulärer ist der missglückte Elchtest kurz vor der Jahrtausentwende, der bei Mercedes zur Einführung von ESP für alle Fahrzeuge führte. Auch hier sind die statistischen Spuren deutlich.

Aber man stand vor einem Dilemma. Durch praktische Versuche war der Validierung der These von der unfalllosen Zeit nicht beizukommen. Es gab gerade mal Level-2-Autos wie z.B. den Tesla, bei dem nach einem Unfall auch noch Restriktionen eingeführt wurden. Beim Audi A8 war evtl. Level 3 in Aussicht gestellt, aber der kam noch nicht. Übrigens kann so ein gerade mal für Forschungszwecke hergerichtetes Fahrzeug eine halbe bis eine Million Euro kosten.

Als Konsequenz griff man zum Mittel der Wirkanalyse. Teil davon ist der Rückgriff auf vorhandene Statistiken. Es gibt z.B. seit 2006 die Unfallforschung der Versicherer oder die Database Geographischer Informationssysteme, in denen sehr viel mehr Informationen enthalten sind als nur Ort und Zeit des Unfalls.

Die Wissenschaft versucht Ordnung bzw. Struktur zu schaffen. So sind z.B. die Unfälle nach der Art ihrer Entstehung geordnet und haben sogar eine Nummer. Erwähnt also ein(e) Unfallforscher/in die Nummer 646, so wissen die anderen, dass der so klassifizierte Unfall beim Einscheren von links passiert ist. So entstehen Typen von Unfällen.

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass beim Umdenken dieser Unfalltypen von menschlichem Fahren auf automatisiertes von Mischverkehr ausgegangen wurde. Dabei kam heraus, dass es solche Unfälle weiterhin geben wird, allerdings in einer geringeren Häufigkeit. Dem automatisierten Verkehr fehlt einfach das spontane, häufiger zu Unfällen führende Verhalten.

Der Gesamtverkehr ist einer Analyse hinderlich. Schon die heutigen Unfallbetrachtungen lassen zumindest eine Dreiteilung zwischen Stadt, Landstraße und Autobahnverkehr als sinnvoll erscheinen. Letzterer wurde herausgegriffen und autonom fahrende Autos hier zu unterschiedlichen Prozentzahlen 'hineinsimmuliert'. Wichtig waren nicht nur relevante Fahrszenen, sondern auch die Informationen der Hersteller, wie denn nach momentanem Stand der Technik solche Autos handeln bzw. reagieren.

So ein Fahrzeug konnte dann z.B. 200 m weit nach vorn und hinten 'schauen', vorn 80 m mit einem verbreiterten Kegel. Seitlich waren das dann nur jeweils 10 m. Die Fahrszenen wurden automatisiert von Videos abgeleitet, die ein halbes Jahr lang auf Fahrten insgesamt 100 Fahrzeuge absolvierten. Zu bedenken ist noch, dass der Autobahnanteil an Unfällen mit Personenschäden nur 6 Prozent ausmacht. Die meisten Unfälle passieren z.B. in der Stadt an Kreuzungen.

Die Ergebnisse waren ernüchternd: Bei 5 Prozent Autonomanteil werden nur 4 Prozent der Unfälle verhindert, bei 25 Prozent sind es 17 Prozent und bei 50 Prozent ergibt sich eine Reduktionsrate von 30 Prozent. Sogar das vollständige Befahren der Autobahn reduziert um 53 Prozent. Dabei hat man die Nutzfahrzeuge außen vor gelassen.

Und natürlich wurden alle unfallträchtigen Besonderheiten wie Glatteis oder Nebel, die auch für die Sensorik nicht ganz einfach zu bewältigen sind, außen vor gelassen. Auf einen seltenen Fall weist man besonders hin, nämlich den der bewussten Störung des Autobahnverkehrs, der dann schon an Selbstmord grenzt und andere Opfer bewusst in Kauf nimmt. Ob sich der durch Automatisieren vermeiden lässt?

Sie merken schon, von der so plausiblen Prognose der Reduktion von Unfällen bleibt nicht viel übrig. Auch und gerade dann nicht, wenn man bedenkt, dass wohl eine vollständige Automatisierung der Autobahn zumindest in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar sein wird. Die Prognose des TH-Mitarbeiters war für die vielen Helferlein sehr wohlwollend, allein für das Autonome Fahren nicht sehr günstig. Es fiel der Begriff 'Jahrzehnte'.

Um aber nicht so destruktiv zu enden, hier noch das neuste Projekt, auf das die RWTH stolz ist, weil es unter ihrer Führung durchgeführt wird: 'L3Pilot - ika'. 1000 Fahrer/innen bewegen in insgesamt 10 europäischen Ländern insgesamt 100 Level-3-Fahrzeuge von 13 Herstellern, um zu einer Kosten-Nutzen-Analyse zu kommen. Näheres unter: l3pilot.eu.

Und noch etwas, das in diesem Buch schon anlässlich der Künstlichen Intelligenz festgestellt wurde: Die Forschungen zum Automatisierten Fahren scheinen zu belegen, dass der Mensch als Fahrer/in, so er/sie denn aufmerksam ist, anscheinend ein so guter Regler ist, dass er von der Digitalelektronik nicht wirklich leicht ersetzt werden kann.







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