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 Praxisbeispiel




Erstaunlich, dass es noch Leute gibt, die sich autonomes Fahren so überhaupt nicht vorstellen können. Dabei gibt es doch Beispiele mitten unter uns und auch millionenfach genutzt, die dieser Zukunft schon erstaunlich nahekommen. Hier soll darüber berichtet werden, und zwar anhand einer Fahrt zur Nutzfahrzeug-IAA in Hannover.

Die Rede ist natürlich von der deutschen Bahn. Hier gibt es zwar noch Lokführer/innen, aber, wie Sie wahrscheinlich schon längst wissen, hat der/die eigentliche Zugführer/in in der Regel keinen Führerschein für die Lok. Er/Sie residiert auch nicht dort, sondern irgendwo unter den Passagieren. Trotzdem bestimmt er/sie, ob und wann ein Zug zu fahren hat.

Die Arbeit der Lokführer/innen könnte einmal mit die erste sein, die man wegrationalisiert. Nur Sicherheitsgedanken sprechen noch dagegen. Was sonst noch, das werden wir in diesem Kapitel sehen. Jedenfalls ist die Arbeit von Lokführern/innen sehr limitiert. Während die Abfahrt jemand anders bestimmt und die Halts peinlich genau durch den Fahrplan eingehalten werden müssen, sind auch die Geschwindigkeiten alles andere als frei wählbar.

Sie mögen es uns verzeihen, aber wir setzen sie für einen Moment mit Robotern gleich. So weit so gut, aber wie sieht dann die Praxis in so einem, dem autonomen Fahren durchaus vergleichbaren System aus, bevorteilt zusätzlich dadurch, dass alle maßgeblich Beteiligten Bedienstete des Systems sind und weder Privatpersonen noch andere zu freier Aktion Fähige Teil des Verkehrsaufkommens sind.

Gehen wir von einer Fahrt zur Nutzfahrzeug-IAA nach Hannover aus. Sie besteht aus drei Teilen, nämlich dem Erreichen des für längere Strecken geeigneten ICs oder ICEs, diesem selbst und dem Zug von Hannover Hauptbahnhof zur Messe. Aus Erfahrungen klug geworden, wählt man besser nicht die sogenannte Regional-Schnellbahn, die zwar bequem und schnell ist, aber auch sehr häufig verspätet. Was bei nur auf 8 Minuten kalkulierter Umstiegszeit sehr problematisch ist.

Jetzt könnte man durch einen Zug früher das Problem lösen, aber da ist noch die S-Bahn, die zwar an jeder Milchkanne hält, dafür aber auf eigener Trasse viel mehr Vertrauen in die Pünktlichkeit einflößt. Man fährt also im Prinzip mit dem bedeutend langsameren Zug, um den schnellen für die lange Strecke sicher zu erreichen. Der ist natürlich auch des Öfteren verspätet, aber darauf kann man sich nicht verlassen.

Mit dieser soliden Basis geht es los und man trifft sogar auf einen IC, der seine Fahrt nach Hannover gerade erst beginnt. Er macht einen sehr sauberen Eindruck und der Verzicht auf eine Platzreservierung, die ja bei Verlust eines Anschlusses ohnehin perdü ist, hat sich gelohnt. Trotzdem wundert man sich, dass schon beim ersten Losfahren glatte zwei Minuten verloren gehen.

Die Passagiere sind nett, keine(r) telefoniert laut herum oder stört sonstwie. Wie gut, dass man kein Internet braucht, den WLAN gibt es auf dieser Strecke nicht nur heute nicht. Wenn einer stört, dann ist es der Lautsprecher direkt über einem. Man kann zwar inzwischen feinste Geräusche eines Motors ins Cockpit geben, nicht aber die Stimmen der einzelnen maßgeblichen Zugbegleiter. Es hat nur einen gegeben, der zwar laut war, aber sich kurz gefasst hat. Mein ewiger Dank sei ihm gewiss.

Die anderen haben die Passagiere entweder nach jedem Bahnhof auch im Namen ihres Teams freudig begrüßt und/oder versucht, Englisch zu sprechen, einer sogar sehr schnell. Nein, gewöhnen kann man sich nicht daran, zumal die auf der Rückfahrt auch noch drei Mal gewechselt haben. Nun gut, dass ich auf der Hinfahrt nicht schlafen konnte, war ich dann wohl zu einem erheblichen Teil selbst schuld.

Man beobachtet die wachsende Zeit der Verspätung, rechnet sich aber für Hannover noch Chancen auf den Anschlusszug aus. Und dann bricht es über einen herein: Eine Viertelstunde vor Hannover wird der Zug zu früh für die Ankündigung des nächsten Bahnhofs Hannover langsamer. Man beginnt, sich unwohl zu fühlen und sich mehr Beschleunigung zu wünschen.

Irgendwann stehen wir, aber es wird nur von der Verspätung eines anderen Zuges berichtet. Als es dann schleppend weitergeht und neben uns ein auf freier Strecke stehender Zug erscheint, rückt man mit der ganzen Wahrheit heraus. Wir sollen/wollen die Passagiere des gestrandeten Zuges aufnehmen. Jetzt ist auch schon alles egal, denn den Anschlusszug kann man vergessen. Also zurückgelehnt und weitergearbeitet. Aber zu meinem leichten Erschrecken sehe ich, dass dies jemand im anderen Zug auch tut.

Also keine Rede davon, einen Zug vielleicht in fünf Minuten zu leeren, bzw. den anderen zu füllen. Außerdem sucht unserer noch, durch Langsamfahrt zwei Türen passend zueinander zu finden. Hätte ich nur den ICE genommen, denn der hat keine Doppelstockwagen wie der andere Zug und hat wohl passieren dürfen. Überhaupt seltsam, dass erst die Passagiere auf freier Strecke geborgen werden müssen, statt eine Möglichkeit zu finden, den ganzen Zug mit dem nächst folgenden in den nicht weit entfernten Bahnhof zu schieben.

Vermutlich würden Bahnbedienstete über diese sehr laienhafte Vorstellungen lächeln. Nur hat die ganze Aktion insgesamt eine Stunde gekostet. Dazu die geradezu zwingende Bitte, dafür wohl Verständnis zu haben. Dann kommen sehr bemüht die Durchsagen für die geänderten Anschlüsse, einschließlich der für die übernommenen Passagiere, die Strecke noch einmal versuchen zu müssen. Übrigens war die für mich geltende, obwohl erst vor 10 Minuten getätigt, schon falsch. Bei der Deutschen Bahn kommen die Meldungen offensichtlich nicht den Verspätungen hinterher. Statt um 11.27 Uhr fuhr der Zug um 11.41 Uhr, wobei ich noch das Glück hatte, einen um 11.36 Uhr zu finden.

Fazit der ganzen Geschichte: Für eine Strecke, für die der Computer 3,5 Stunden veranschlagt, habe ich fast 6 Stunden gebraucht. So viele Staus gibt es auf der Autobahn nun doch nicht. Übrigens habe ich sogar eine E-Mail von der Deutschen Bahn erhalten, die irgendwie auf Probleme mit dem Zug nach Hannover hindeutet, deren Inhalt sich erst im Nachhinein erschließt. Was hätte mir diese E-Mail, so ich sie denn direkt verstanden hätte, nützen können?

Was können wir von diesem Beispiel mitnehmen in Gedanken über die Zukunft des autonomen Fahrens? In Bereichen ausschließlich selbstfahrender Autos wird es übergeordnete, mitbestimmende Stellen geben, die das Fahren koordinieren und ggfls. massiv eingreifen dürfen. Wenn ein(e) Lokführer/in ein rotes Signal überfährt, bremst, von Ausnahmen auf Nebenstrecken abgesehen, der Zug automatisch. Ampeln, auch wenn sie keine Lichtzeichen mehr zu geben brauchen, werden massiv dafür sorgen, dass die Fahrzeuge bei Rot auf jeden Fall zum Stehen kommen.

Bleibt eins bei Rot stehen, haben wir ein Problem wie das bei dem liegengebliebenen Zug. Das Beispiel zeigt auch, dass von einem Zeitgewinn nur dann die Rede sein kann, wenn irgendwelche Störungen ausbleiben, wo früher Staus an der Tagesordnung waren. Auf der Autobahn mag man sich einen forsch gefahrenen Porsche unter lauter selbstfahrenden Autos kaum vorstellen. Vermutlich wird Japan zum Vorbild, wo man sich bei Tempo-100-Begrenzung im ganzen Land in eine (oft weit entfernte) Rennstrecke einmieten muss.

Die Deutsche Bahn hat trotz ihrer sogar schlechter werdenden Zahlen bezüglich der Pünktlichkeit eine enorme Menge an Fahrgästen. Die Leute scheinen sich mit diesem Zustand abgefunden zu haben, äußern nur ihren Protest untereinander. Vielleicht denken Sie, dass die Bahn zwar nicht gut organisiert, aber sicher sei. Dass dies keine Gegensätze sein müssen, könnte man am Beispiel Japan lernen. Und so wird es auch mit dem vollautnomen Fahren sein, langsam aber sicher mit der Möglichkeit, die Zeit sinnvoll zu nutzen.

Erstaunlich ist, dass in Befragungen der Wunsch nach dem Genuss der vorbeifliegenden Landschaft und als Zweite das Gespräch mit Mitreisenden höchste Priorität hat. Erstaunlich, denn in öffentlichen Verkehrmitteln dominiert auch in etwas eingegrenzten Bereichen eindeutig das Smartphone. Sollte da der (letztlich nicht realisierte) Wunsch der Vater des Gedankens sein? Solange z.B. vier Leute in Fahrtrichtung sitzen, fällt eine isolierende Tätigkeit nicht auf, aber wenn sie zueinander angeordnet sind . . .

Man müsste mehr über die Welt in zwanzig oder dreißig Jahren wissen, dann könnte man das auf autonomes Fahren übertragen. Vertraut man grundsätzlich völlig unbekannten Mitfahrern/innen, dann wird der ÖPNV in kleinere Einheiten vordringen. Greifen aber Misstrauen, Angst vor Fremden und z.B. auch Terrorismusgefahr weiter um sich, könnte der Sicherheitsgedanke die Oberhand gewinnen: viele jeweils von wenigen oder nur einer Person benutzte Fahrzeuge, von privat oder nach wie vor von Firmen gekauft.







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