Frankreich 1
Das ist schon ein anderes Land als Deutschland. Vielleicht würde Polen als Nachbarland besser zu Frankreich passen. Oder vielleicht doch zu emotional. Und wir Deutschen? Zu sachlich? Schwierig solche
Pauschalierungen. Halten wir uns besser ein wenig mehr an die Fakten.
Die Briten fahren gern unsere Autos, aber Urlaub erleben sie lieber in Frankreich oder Italien. Dazu hat Frankreich auch alle Möglichkeiten. Kein Land in Europa verfügt über so viel Küste. Franzosen finden genügend
Möglichkeiten im eigenen Land. Das ist dann auch sprachlich für sie einfacher.
Sie gelten ein wenig als Sprachmuffel. Am besten, man spricht ihre Sprache überhaupt nicht. Kann man sie nur ein wenig, wird man sofort in den Kreis der Begabten aufgenommen und erhält fortan so schnelle
Antworten, dass man wieder draußen steht. Vielleicht ist da etwas zu wenig Verständnis für Französisch-Lernende.
Eine gewisse Eigenheit kann man dem Land nicht absprechen. Obwohl Napoleon ganz Europa nicht nur bereist, sondern fast auch erobert hat. Es ist wohl doch die Randlage. Im Norden, Westen und Süden Meer. Dafür
aber durch die Nord-Süd-Ausdehnung Kontakt zu unterschiedlichen Nachbarn, südlich von uns die Schweizer und Italiener.
Immerhin haben die Kriege Frankreich nicht so viel Zerstörung bereitet. Kulturell ist das ein riesiges Plus, wirtschaftlich vielleicht ein kleiner Nachteil. Überhaupt erscheinen Land und Leute relativ liberal auf den ersten
und doch recht konservativ auf den zweiten Blick. Oder ist das dem ausgeprägten Stadt-Land-Gefälle geschuldet?
Allerdings ist das Land dem politischen Rechts-Links-Schema wohl nicht so leicht zuzuordnen. Zu ausgeprägt sind die staatlichen Vorsorgen für Familien. Und ist Zentralismus eher rechts oder eher links? Überhaupt
stimmen viele Vorurteile über Frankreich wohl längst nicht mehr. Auch jenseits von Paris wird investiert, z.B. in Toulouse, dem Zentrum der Flugzeugindustrie.
Leider vermisst man inzwischen auch das Bistro an der Ecke. Man hat das Gefühl, die Briten haben die Franzosen in punkto Gemütlichkeit im Stadtviertel überholt. Wenn jetzt auch noch die Deutschen mit ihrer
Straßencafe-Mentalität vorbeiziehen. Sogar die Baumärkte haben Frankreich erobert, früher eigentlich undenkbar.
Etwas von der lockeren Lebensart ist allerdings geblieben. Zu hoch ist die pro Kopf umrechenbare Verschuldung und zu ungebrochen der Drang, Annehmlichkeiten beizubehalten. Das betrifft das im Vergleich frühe
Rentenalter und die kollektive Verabschiedung in den Urlaub im Monat August. Dabei werden die 750 km Stau in diesem Jahr (2012) noch als human eingestuft. 07/12
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