Standort Deutschland
Es sah schon danach aus, als würde sämtliche Arbeit aus Deutschland verschwinden. Als wären die Kaufleute auch und gerade in Produktionsbetrieben der Nabel der Welt. Jede Arbeit wird auf die Goldwaage gelegt
und verlegt, wenn sie irgendwo anders billiger ist. Arbeitsplätze, Know-how, Infrastruktur - Nebensache. Hauptsache die Kosten stimmen. Denn es gibt ja den kurzsichtigen Aktienmarkt.
Das Ergebnis ist Arbeitslosigkeit in Deutschland und auf die Automobilproduktion bezogen das siebte Jahr mit Absatzrückgang. Denn wo weniger Autos gebaut werden, kann man auch weniger verkaufen. Man kann
die Kosten gar nicht so schnell senken, wie sie durch am Markt nicht durchsetzbare Preise nach unten gedrückt werden. Und dann die Schwierigkeiten, in fremden Ländern die gleichen Produktionsstandards zu
erreichen.
Outsourcing nennt man die Methode, möglichst viel Arbeit an die Zulieferer zu geben. Die werden dann nahe ans Werk geholt. Man ist zwar die Verantwortung für die Produktion los, aber leider dauern Änderungen auch
länger. Und die werden nötig sein, wenn man sich die Anforderungen an zukünftige Fahrzeuge anschaut. Auch der Verbraucher bemerkt, dass von seinem Markenprodukt evtl. nur noch 25 Prozent im Herstellerwerk
selbst produziert worden sind. Wozu dann nicht gleich das billigste Produkt kaufen? Der Umkehrpunkt scheint erreicht.
Zum Glück ist das bisher Gesagte keine zurzeit mehr gültige Zustandsbeschreibung. Angefangen hat es damit, über eine Produktionsverlagerung ins Ausland im Vorfeld mit Betriebsrat/Gewerkschaften zu verhandeln.
Konnte eine bestimmte Lohnquote erreicht werden, so blieb die Produktion wo sie war. Doch der einseitige Verzicht auf Lohn ist noch lange nicht die Lösung des Problems, zumal in bestimmten Branchen
Vollerwerbstätige nicht mehr von ihren Einkünften leben können.
Man denkt um, und zwar gründlich. Der Stand der Ausbildung in Deutschland ist wieder gefragt. Auch auf ältere Arbeitnehmer wird zunehmend zurückgegriffen. Man macht jetzt die Hausaufgaben, die uns vielleicht die
ganze Aufregung erspart hätten. Vorbild sind wieder einmal die Japaner, die wohl offensichtlich immer gleiche Abläufe am besten so vereinfachen können, dass sie nicht nur schneller ablaufen, sondern auch bessere
Produktionsergebnisse bringen.
Obwohl moderne Computer oft die komplette Fabrik gespeichert haben und die tollsten Simulationen für Arbeitsabläufe bereithalten, verlassen die Ingenieure z.T. ihre Computer, um sich der realen Arbeitswelt zu
stellen. Produktionsabläufe werden im Team nachgestellt und besprochen. Der Ort der Produktion wird aufgeräumt und vollkommen durchorganisiert. Zunächst wird rein praktisch mit provisorischen Mitteln der
Arbeitsplatz der Werker/innen verändert und der neue Ablauf durchgespielt. Findet die Änderung allgemeine Zustimmung, dann folgt sehr bald auch die tatsächliche Umrüstung.
Man könnte glauben, die Arbeit würde dadurch stumpfsinniger. Dabei vergisst man, dass jeder Teilnehmer am Produktionsprozess auch eine Art Notfallplan einhalten muss. Es geht also nicht nur darum, Abläufe
exakt einzuhalten, sondern im Falle von leichten Störungen durch flexibles Handeln Abhilfe zu schaffen. Leider sind allerdings auch die Zeiten vorbei, in denen Gruppen über ihre Arbeitszuordnung lange diskutierten.
Bleibt nur zu hoffen, dass man die Erfahrung der Werker/innen am Band trotzdem genügend nutzt.
Der VW-Chef hat 10 Prozent Produktionszuwachs pro Jahr in Aussicht gestellt und die werden z.T. noch übertroffen. Unglaublich, was Aufräumen bringt. Man hätte schon vorher darauf kommen können, aber es
ist wie daheim, wo man auch mit lieb gewordenen Provisorien dauerhaft umgeht. Vielleicht sollte man auch hier einmal die Axt ansetzen und sehen, wie man sich nachher wohler fühlt. Übrigens, keine Veränderung
ohne Verlierer. Ich denke in diesem Fall z.B. an die Fa. Karmann in Osnabrück. 12/07
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