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Erlkönige 1



Früher ließ sich der Vorstandsvorsitzende jeden Abend ein willkürlich aus der Produktion genommenes Auto vor die Tür stellen. Inzwischen macht das bestenfalls der Entwicklungsvorstand. Nein, nicht auf dem Nach- Hause-Weg. Er nimmt das Flugzeug und erreicht vielleicht am anderen Ende des Globus die Testmannschaft.

Da werden in der Regel auch keine gerade gefertigten Fahrzeuge getestet, sondern sogenannte Erlkönige. Das sind solche, die im Prinzip noch keiner sehen darf. Da aber sehr viele Testgebiete der Hersteller bekannt sind, nisten sich hier auch neugierige Journalisten ein, die genau von diesen Autos ein Foto haben wollen.

Offensichtlich lohnt sich der Verkauf solcher Fotos, spielt die Kosten für die weite Reise und die Strapazen wieder ein. Die Hersteller wehren sich, indem sie Beobachtungsfahrzeuge vorher auf die Strecke schicken oder die Erlkönige geschickt 'verzieren'. Es ist im Grunde ein Katz-und-Maus-Spiel.

Aber auch heutzutage vergehen noch bis zu zwei Jahre, bis das in allen Einzelheiten fertige Auto auf dem Markt erscheint. Wenn also solche Tests zu gravierenden Änderungen führen, müssen sie vorher stattfinden. So lange will aber kaum ein(e) Käufer/in warten. Also erfährt er/sie besser etwas später von so einem neuen Produkt.

Jetzt könnte man meinen, die Industrie bräuchte gar nicht mehr draußen zu testen. Immerhin nimmt das Szenario an Testständen noch beharrlich zu. War man früher mit einem Windkanal schon besonders glücklich, muss der heute noch möglichst viele Wetterbedingungen simulieren können. Ein Fahrwerksprüfstand hat inzwischen viele Strecken gespeichert. Der schalltote Raum ermöglicht Geräuschmessungen aller Art.

Aber trotzdem, die Straße bleibt trotz aller Simulationsdaten Testumgebung Nr. 1. Wobei 'Straße' schon ein wenig voreilig ist. Waren es früher jeweils nur der unmittelbare Norden und Süden, also Nord-Skandinavien und die afrikanische Wüste, so geht es heute auch z.B. nach Utah in den Westen der USA und nach China. Dort gibt es offensichtlich Straßen und entsprechende Bedingungen, die es in Europa nicht gibt.

Auch Staus in Japans Hauptstadt Tokio scheinen so einmalig zu sein, dass man sie unbedingt vor der Produktionsfreigabe durchqueren muss, mit Gefahr für die Geheimhaltung. Aber vielleicht vermuten ja die Erlkönig-Jäger ihre Opfer nicht gerade hier und können sich auch schlecht darauf einstellen, geschweige denn ein schönes Foto davon schießen.

Es geht längst nicht mehr nur um das Wohlbefinden der Mechanik. Die Passagiere stehen mittlerweile im Vordergrund. So muss eine Klimaanlage offensichtlich unter beinahe allen klimatischen Bedingungen 20° Innenraumtemperatur garantieren. Mit der Folge, dass die Dinger immer leistungsfähiger werden. Da kann man dann in Death Valley, einem der heißesten Punkte der Erde, lesen, doch bitte die Klimaanlage auszuschalten, weil mechanische Defekte drohen.

Und was die Testfahrer leisten müssen. So traut sich auf die Pässe des Himalaya kaum eine unerfahrene Busgesellschaft oder setzt zumindest Fahrer ein, die mit den Strecken vertraut sind. Man kann sich das aber für ein Team mit Testwagen kaum vorstellen. Es gibt inzwischen so viele Testgebiete auf der Erde, das mancher Hersteller mit den Millionen von Kilometern wirbt, die das neue Produkt als Testwagen zurückgelegt hat.

Wenn es immer noch Spezialisten geben sollte, die behaupten, früher seien die Autos besser gewesen, dann sollten diese sich langsam eines Besseren belehren lassen, spätestens seit die Testmethoden immer ausgedehnter werden und sich auf immer mehr Teile am Auto beziehen. Wer hätte sich früher schon dafür interessiert, ob eine Zierleiste auch auf chinesischen Rubbelstrecken ihren korrekten Sitz beibehält? 09/12








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