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1933 Wanderer W 22



Was bedeutet eigentlich die Bezeichnung 'Freistaat'? Eigentlich steckt dahinter keine besondere Bedeutung. Ein Bundesstaat hat stets die gleichen Rechte, ob er sich nun 'Freistaat' nennt oder nicht. Und doch strömt zumindest aus den beiden Freistaaten Bayern und (seit 1990 auch) Sachsen eine besondere Kraft, unterstützt durch zwei Landeshauptstädte, die ihre geschichtliche Bedeutung in die Jetztzeit hinüber gerettet haben, im Fall Münchens (nach dem Zweiten Weltkrieg) ziemlich kontinuierlich, bei Dresden erst wieder verstärkt nach der Wiedervereinigung.

Und was hat das alles mit der Fa. Wanderer zu tun? Fast das gesamte Wirken dieser Firma spielt sich im Freistaat Sachsen ab, obwohl dieser sich erst ab 1920 so genannt hat. Und es endet auch in dem Moment der Geschichte, als Sachsen aus dem Verbund Deutschlands (mit anderen vier Ländern) herausgelöst wird. Allerdings ist das Schicksal der Firma nicht mit der Landeshauptstadt Dresden, sondern mit Chemnitz verbunden.

Fast scheint es so, als wäre auch der Aufstieg von Wanderer eine Parallele zum Aufstieg Deutschlands. Das lässt sich gut am ersten wichtigen Produkt erklären, dem Fahrrad. Es sind die Engländer, die 1885, dem Gründungsjahr der Firma, den deutschen Markt mit Fahrrädern überziehen. Sie ziehen den Nutzen daraus, mit der industriellen Revolution 50 Jahre früher begonnen zu haben. Also verkaufen die beiden gut ausgebildeten Gründer Richard Adolf Jaenicke und Johann Baptist Winklhofer zunächst 'Rudge'-Fahrräder, die sie auch reparieren und auf die sie auch ihre Kunden einweisen.

Nein das sind nicht die Niederräder, die wir heute kennen. Viel Übung ist nötig, um so ein Hochrad einigermaßen sicher zu beherrschen. Ganz neu ist es sehr in Mode und meist eher sportlichen Zwecken zur Ausübung in Clubs vorbehalten. Und jetzt kommt die Kraft ins Spiel, die hier eine entscheidende Rolle spielt. Nicht nur, dass die beiden Gründer mit sehr wenig (und geliehenem) Geld beginnen, sie schaffen es auch noch, das importierte Rad in nur zwei Jahren durch eine erfolgreiche Eigenkonstruktion zu ersetzen.

Der zeitweise Totalausfall durch einen Brand kommt in relativ vielen Gründungsgeschichten bekannter Kfz-Hersteller (z.B. Daimler, Opel) vor und trifft die noch junge Firma sehr früh. Auch wenn dabei fast eine eingelagerte Halbjahresproduktion verbrennt, können die schlimmen Auswirkungen, wie in den anderen Fällen auch, relativ bald überwunden werden und die Firma gedeiht in neuen, noch größeren und besser angepassten Räumen. Drei Mal zieht man um, bis man endlich außerhalb der Stadt Chemnitz genügend Areal zur weiteren Ausdehnung zur Verfügung hat.

Das Hochrad wird zwar noch bis 1892 produziert, muss aber im Prinzip schon längst dem Nieder- und Sicherheitsrad Platz machen. Wanderer baut es mit Kurbel zum Vorderrad-Getriebeantrieb, Kardanantrieb nach hinten und in seiner endgültigen Form mit der noch heute üblichen Kette. Aus dem Fahrradgeschäft entstammt auch der Name 'Wanderer', der heute immer noch als Fahrradwandern gebraucht wird. Bei der Gelegenheit entsteht auch das Wappen mit der 'W'-Aussparung und den seitlichen Flügelandeutungen.

Die deutschen und weltweiten Krisen von 1900, nach 1918 und nach 1929 übersteht zumindest die Fahrradproduktion einigermaßen gut, weil sie für hochwertige Produkte sorgt und durch die Einführung günstigerer Fahrräder den Verkauf trotz allgemeiner Rückläufigkeit sogar ansteigen lässt. Der dabei ins Fahrradgeschäft einfließende Markenname 'Continental' kommt aber eigentlich von den weltbekannten Schreibmaschinen (ab 1903) und später noch anderer Hilfsmittel für das Büro, z.B. Addiermaschinen. Kurz nach 1900 steigt man in die Produktion von Werkzeugmaschinen ein, deren Verkauf aber erst ab etwa 1906 so richtig auf Touren kommt.

.Uns interessieren natürlich die Kraftfahrzeuge und wir beginnen bei den Wanderer-Motorrädern. Von begeisterten Fahrradfahrern zu solchen, die Motorkraft nutzen, ist es nur ein kleiner Schritt. Wie fast alle Produzenten (z.B. Harley, später BMW) beginnt man mit einem seitengesteuerten Motor. Bei den frühen Produzenten ist sogar nur das Auslassventil nocken- oder kurvenbahnengesteuert. Das Einlassventil geht von alleine als Rückschlagventil von alleine auf. Das ergibt bei einem 200-cm³-Einzylinder zunächst ca. 1 kW (1,5 PS).

Wie die meisten ersten Motorräder sehen die Gefährte eher wie Fahrräder mit Hilfsmotoren aus, bevor sie einen eigenen Rahmen und Räder mit höherer Tragfähigkeit erhalten. Mit größerem Radstand muss der Lenker verlängert werden, während die Leistung durch leichte Hubraumvergrößerung auf 1,8 kW (2,5 PS) wächst. Damit nimmt man schon recht erfolgreich an Ausdauervergleichen und Ausstellungen teil. Immerhin gibt es 1910 schon die Hinterradfederung, worauf man bei BMW 20 Jahre nach der ersten Maschine warten muss.

Bitte schauen Sie nicht mitleidig auf solche Gefährte. Ihre Besitzer sind immerhin schon in der Lage Deutschland längs und ggfls. auch mit Nachbarland zu durchqueren. Freilich in mehreren Tagen und auf Kopfsteinpfaster oder deutlich schlechter, aber mit Etappen von etwa 200 km pro Tag. Die Antriebe halten (bei natürlich mehr Pflege als heutzutage) durch, nur die (platten) Reifen erfordern viele Zwangspausen. Dafür entschädigen gute Kameradschaft der Zweiradfahrer untereinander und wunderbare Erfahrungen.

Es gibt noch die Zwangsverbindung zwischen Pedalen und Motor. Dieser muss beim Anfahren durch Treten mit angeworfen werden und hat er einen Defekt, mitunter auch meilenweit. Findet man dort nicht den Defekt und behebt ihn, kappt man besser den Riemen oder die Kette zum Motor und bringt das Motorrad mit etwas weniger Kraftaufwand wieder zurück. Mit dem möglichen Vortrieb eines Fahrrades ist das natürlich nicht zu vergleichen. Welch ein Zugewinn, dass es seit 1913 von Wanderer auch Motorräder mit Kickstarter gibt.

Bis dahin hat es natürlich schon eine enorme Leistungssteigerung mit z.B. zwei Zylindern in V-Form und ab jetzt 500 cm³ Hubraum. Durchgesetzt haben sich die bis zu 3 kW (4 PS) starken und 85 km/h schnellen Maschinen nicht. Da Wanderer ohnehin deutlich mehr auf Qualität als auf niedrige Preis setzt, sind Motorräder unerschwinglich, die schon beim Erwerb das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Arbeiters und mehr auffressen. Außerdem greift der Staat mit der Hubraumsteuer noch zu, wohingegen bis zu 200 cm³ verschont bleiben.








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