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Scania



Wir sind mit Södertälje in den Schären rund um Stockholm, ca. 40 Kilometer südwestlich. Für die südliche Hälfte von Schweden ist das fast der östliche Punkt, relativ nahe zur Ostseeküste gegenüber von Estland und Finnlands Süden. Will man Helsinki allerdings auf dem Landweg erreichen, sind das gut und gerne 1800 km rund um den Bottnischen Meerbusen.

Södertälje ist heute eine mittelgroße Stadt mit immerhin etwa 90.000 Einwohnern und nicht weit von einem Autobahndreieck entfernt. Beim Studium der Karte fällt auf, dass hier ein Kanal als Verbindung von der Küste zu weiter im Landesinnern gelegenen großen Seen verläuft, eingeweiht 1819.

Die Gründung der Firma hat etwas mit dem Eisenbahnnetz zu tun, dass in Schweden, obwohl näher an Großbritannien als Deutschland, noch einmal etwas später eingerichtet wird. Vielleicht liegt das ja an der schwierigeren Topografie. Von Södertälje aus besteht eine Eisenbahnverbindung nach Stockholm ab 1860.

Die Rede ist von der 'Vagnfabriks-Aktiebolaget i Södertelge', Waggonfabrik AG Södertelge, wie der Ort zu der Zeit heißt. Es ist der 1890/91 gegründete Vabis-Teil von Scania. Bis zur Vereinigung 1910/11 stellt man zunächst sehr erfolgreich Waggons für Eisenbahn und Pferdefuhrwerke her.

Die Firma 'Svenska Aktiebolat Humber & Co' wird 1900 weit entfernt in Malmö gegründet, wie der Namen schon sagt als Niederlassung der britischen Fa. Humber. Auf den älteren Vabis-Teil beruft sich Scania z.B. bei der 120-Jahr-Feier. Beide Firmen unterscheiden sich sehr. Scania baut Autos aus zugekauften Teilen, während Vabis die Eigenentwicklung versucht.

Es ist der junge Ingenieur Gustaf Erikson, der 1897 38-jährig mit der Konstruktion eines Kraftfahrzeugs beginnt. Er wird zwar als 'Schwedischer Vater des Automobils' bezeichnet, was aber nicht heißt, dass seine ersten Projekte besonders erfolgreich gewesen wären. Er verfolgt einen Weg, der heute wohl für Scania vielversprechender ist, nämlich möglichst viel selbst zu machen.

Und während Rudolf Diesels Motor mit seiner besonders hohen Verdichtung gerade die ersten Probeläufe absolviert, versucht Erikson, mit ähnlichem Brennstoff, nämlich Petroleum, eine Art Stirlingmotor zu betreiben. Um es kurz zu machen, richtig voran kommt das Projekt erst, als er mit der dritten Generation zum Benzinmotor umsteigt.

Der Motor taugt für eine Draisine und ein paar wenige Fahrzeuge. Bis etwa 1908 profitiert Vabis noch vom Geschäft mit den Waggons. Aber dann tritt auch wegen der vielen Konkurrenzunternehmen eine Sättigung ein. Eigentlich sollte zu diesem Zeitpunkt die Produktion von Kraftfahrzeugen der Bringer sein.

Dieser Teil der Fabrikation wächst zu langsam, obwohl man sich inzwischen fast ausschließlich mit dem Bau von Lkws beschäftigt. Von anderen Firmengeschichten kann man lernen, dass der Misserfolg die typische Veranlassung für eine Fusion ist. Scania kommt der Zukauf eines kleineren Partners gelegen.

Dort baut man schon seit 1905 eigene Motoren und ist mit dem Verkauf von Lkw so erfolgreich, dass man die Firma im Södertälje zur Erweiterung der Produktion benutzt, allerdings eher für Motoren, Pkw und Lieferwagen. Die Lkw-Produktion verbleibt in Malmö. Verbindungen gibt es zur 'Schwedischen Kugellagerfabrik', die auch an der Gründung von Volvo nicht ganz unbeteiligt ist.

Rasch berühmt wird man in Malmö mit dem alsbaldigen Bau des ersten 'Nordmark'-Busses (1911), der in dem teilweise relativ dünn besiedelten Land auch von der Post dringend gebraucht wird. 1912 kommen Löschfahrzeuge für die Feuerwehr hinzu. Wie beinahe jede Automobilfirma hat auch Scania-Vabis 1913 einen Großbrand.

V8, Allradantrieb, Allradlenkung

Die Kriegsjahre verlaufen wegen der Neutralität Schwedens ein wenig anders als in Mitteleuropa. Neben Lieferungen an das Militär gibt es trotzdem noch eine zivile Produktion mit immer größeren Motoren, z.B. einem V8. Allerdings geht es nach dem Ersten Weltkrieg der Fa. Scania nicht besser als anderen Herstellern.

Der Krieg hat natürlich auch die Exporte zunichte gemacht. Als die schützenden Zollgrenzen schließlich aufgehoben werden, geht es noch schlechter. 1921 ist man nahe am Konkurs. Sechs der zehn Jahre von 1920 - 29 bringen Verluste. 1927 wird sogar die Fabrik in Malmö geschlossen. Ausgerechnet 1930, sonst als Katastrophenjahr angesehen, kann wieder Dividende gezahlt werden.

In der Zeit der Krise sind marktfähige Produkte entstanden. Dazu gehört der frontgelenkte 'Bulldoggenbus' und ein Sechszylinder-Reihenmotor. Nach akribischer Suche nach einem besseren Futterverwerter kommt eine Zusammenarbeit mit Magirus-Deutz mit dem zu der Zeit modernsten Lkw-Dieselmotor zustande. Aber erst 1936. Dazwischen liegen zwei weitere Hungerjahre.

Insgesamt ist das Jahrzehnt aber erfolgreicher als das davor. Erstaunlich, dass Scania am Ende mehr als drei Mal so viele Busse wie Lkw herstellt. Bisher nicht erwähnt haben wir die Produktion von Schiffsmotoren und natürlich folgt wieder während des Zweiten Weltkrieges die verstärkte Ausrüstung der Armee.

Ganz anders wiederum kommt ein neutrales Land aus dem ansonsten tobenden Krieg. Ohne Zerstörung und mit viel schon geleisteter Rationalisierung rechnet man sich gute Startchancen aus. Was allerdings in Mitteleuropa zu der Zeit unmöglich gewesen wäre, passiert in Schweden, ein kräftezehrender Streik 1945.

Also kommt man hier auch nicht an der Nachkriegsnot vorbei und wird erfinderisch. Ab 1945 ist man Verkaufsagentur für die berühmten Willys-Jeeps und ab 1948 für den noch nicht so berühmten VW-Käfer. Man arbeitet mit Mack in USA zusammen und kommt 1949 erstmals mit einem Diesel-Direkteinspritzer.

Derart gut vorbereitet kann man in den 50igern schon von einer Art Wirtschaftswunder sprechen. Der Umsatz vervierfacht sich entsprechend der Produktion von Lastwagen und VW-Verkäufen. Man gründet Agenturen in vielen Ländern, z.B. auch in Südamerika. Langsam entsteht so etwas wie das typische Scania-Gesicht.

Es ist die Zeit des Booms beim Lkw, auf die Mitte der Sechziger wieder stark anziehende Verkäufe bei den Bussen folgen. Nicht nur gerade heute verfügt man über den stärksten Lkw-Motor, sondern erlebt das nach der 1960 eingeführten Turbo-Aufladung 1969 mit 224 kW (305 PS) schon einmal, ebenfalls ein V8.

Um Zoll-Restriktionen zu umgehen, entstehen jetzt auch Produktionsstätten im Ausland, z.B. in den Niederlanden und in Brasilien, man spricht vom Zuwachs eines Werks pro Jahr. Bis zur Jahrtausendwende gibt es noch ein kurzes Zwischenspiel mit dem Hersteller Saab, der aber letztlich an General Motors weitergereicht wird.

Die alte Verbindung zu VW könnte der Anknüpfungspunkt sein, warum Scania nun zu einem zu hohen Preis, wie Kritiker sagen, von VW übernommen worden ist und mit der ebenfalls im VW-Besitz befindlichen MAN zusammengefügt werden soll. Schon während der Verhandlungen haben sich die Skandinavier als relativ spröde gezeigt.

Und das alles, obwohl oder gerade weil mit Håkan Samuelsson ein Vorstandsmitglied von Scania von 2005 bis 2009 Chef von MAN war. Noch bizarrer mutet an, dass die jetzige Zusammenführung eine neue Nummer 1 in Europa kreiert und damit die Daimler-Nutzfahrzeugsparte vom Thron stößt. Sie dürfen raten, von welchem Konzern der Andreas Renschler kommt, der für die Integration verantwortlich zeichnen soll.

Auch wenn man fast immer eine Modellgeneration lang auf Ergebnisse einer solchen Verschmelzung warten muss, liegen in diesem Fall doch die Schwierigkeiten offen. Scania ist noch immer ein Möglichst-selbst- Produzent, während MAN mehr zukauft. Wenn denn wenigstens in der weiteren Zukunft spektakuläre Änderungen auf der Agenda stünden, die beide zur Zusammenarbeit zwingen würden.

Aber die Einführung von Euro 6 war wohl so einschneidend, dass ähnlich scharfe Schnitte nicht so schnell zu erwarten sind. Schon jetzt erreichen Abgasanlagen fast Motorgröße und kosten deutlich über 10.000 Euro mehr. Die Investitionen sind jedenfalls getätigt. Allenfalls kann ein neues Fahrerhaus zusammen entwickelt werden, wenn nicht schon zwei fertige bestehen.

Wird Entwicklung zusammengelegt, ist immer eine Mannschaft frustriert und das kann die Vorteile der Fusion auffressen. Und wehe, den Truckern wird das Markenimage unter dem Hintern weggezogen, dann ist die Fusion erst recht gescheitert. Deshalb wird auch von allen Seiten versichert, dass die beiden Markennamen erhalten bleiben. 03/14












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