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1993 Rolls-Royce Silver Spur



Zehn Zentimeter gewinnt man hauptsächlich auf der Rücksitzbank im Vergleich zum Silver Spirit. 5,37 m ist der Wagen dann lang mit Kunststoffüberzug auf dem Dach. Die potentiellen Kunden, wenn auch nicht unbedingt für dieses verlängerte Modell, gliedern sich in Neureiche und solche, für die das Fahren eines Rolls normal ist. Wobei natürlich Neureiche eher in der Gefahr sind, auch wieder Neuarme zu werden.

Ob die Immer-schon-Reichen auch heute noch einen Rolls kaufen, um ihn ihren Kindern zu vererben, das scheint eher nicht mehr der Fall zu sein. Zu schnelllebig ist die Entwicklung der Technik geworden. Zumal ja die Firma nicht gerade berühmt für die schnelle Einführung von Neuerungen ist. Sie hat z.B. im Corniche erst 1989 den Airbag eingeführt. Wer würde seinen Kindern da noch ein Auto ohne dieses Sicherheitsfeature empfehlen?

Da die zwei Tonnen Gewicht eines Rolls-Royce natürlich nicht nur vom Gewicht der Karosserie herrühren, sondern auch viele Bauteile betreffen, die ein normales Auto nicht hat oder die bei ihm nicht so kompliziert sind, wie z.B. die Hinterachse, ist hier natürlich das Reparaturkosten-Risiko größer. So ist z.B. die hintere Bremshydraulik auf ziemlich komplexe Weise mit der Dämpfung verbunden, kann so ein zu starkes Nicken des Wagens beim Bremsen verhindern. Vorsicht, denn auf der einen Seite haben die Radmuttern Links- und auf der anderen Rechtsgewinde.

Trotzdem hat ein Durchschnittsauto schon ziemlich aufgeholt, z.B. bei der Haltbarkeit der Karosserie. Die hatte zu Zeiten des Silver Spur und davor wohl eher nur bei Rolls-Royce einen deutlich besseren Rostschutz. Eigenartigerweise wurden diese Wagen auch ausschließlich von Hand gewaschen, was heute sicherlich anders ist. Aber allen kaufmännischen Überlegungen zum Trotz, niemand wird bestreiten, dass diese Wagen aus Liebe zu einer luxuriösen Verarbeitung gefahren werden und vielleicht auch ein wenig wegen ihres Prestiges.

Das merkt man wohl zu jener Zeit noch deutlicher auf der Autobahn als heute, wo die Zahl prestigeträchtiger Autos inflationär zugenommen hat. Wer sich den enormen Verbrauch von 20 Liter/100km und mehr beim Schnellfahren leisten kann, dem steht kaum etwas im Wege, besonders nicht auf der linken Autobahnspur. Da macht sich der riesige, handgearbeitete Kühler bemerkbar, der immer ein wenig gebogen ist, um besonders grade zu wirken. Während andere, besonders kleinere Autos der Zeit bei hoher Geschwindigkeit eher laut werden, lässt u.a. die eigentlich altmodisch anmutende Karosserie nichts zu wünschen übrig.

Apropos Langlebigkeit. Man wirbt zu der Zeit damit, dass zwei Drittel aller Rolls-Royce noch auf der Welt sind, was natürlich bei so teuren Modellen weniger eine Kunst ist als z.B. bei einem VW-Käfer. Verrückt übrigens, dass man nur Porsche nachsagt, das Zündschloss an der linken Seite des Lenkrades zu haben, ein links gelenkter Rolls Silver hat das auch. Erstaunlich auch, dass man zwar für den Motor weder Leistungs- noch Drehmomentangaben macht, allerdings die Leistungssteigerung des V8 durch die Bosch-Benzineinspritzung sehr genau in Prozent angibt.

Es gibt noch einen markanten Gegensatz. Man sitzt absolut geborgen in einem Auto, von sehr großer Ruhe umgeben. Es gibt ja diesen launigen Vergleich zwischen dem Ticken der Uhr und dem Geräusch, den ein Kiesweg vor einer Villa macht, wenn überhaupt damals wohl nur in einem absoluten Oberklassemodell möglich. Vermutlich lässt sich aber in diesem Auto sehr gut von einem stressigen Managertag abschalten. Hinzu der wunderbare Duft von Leder, wenn nicht gerade die Klimaanlage einen schlechten Tag hat.

Diesem Privatissime steht, besonders im noch leicht verlängerten Silver Spur und zu dieser Zeit, ein Interesse der Außenwelt entgegen, das seinesgleichen sucht. Man kann sich nicht einfach anonym durch die Masse schleichen. Oder die Freundin irgendwo abholen, obwohl man noch eine Ehefrau hat. Wie ist man gekleidet? Besonders adrett oder bewusst schnoddrig geht, dazwischen ist tabu. Oder stellen Sie sich vor, man würde mit so einem Auto Dachlatten transportieren. Das ginge nur mit Sonnenbrille. Die Menschen brauchen eine Erklärung, und zwar eine, die zum Auto passt.

Also, wer es sich leisten kann und wem viel Aufmerksamkeit egal oder sogar willkommen war, der war mit diesem Auto gut bedient. Obwohl natürlich der Silver Spur schon fast eher für den Betrieb mit Chauffeur gedacht ist. Das sind übrigens im besten Fall von der Herstellerfirma selbst ausgebildete Fachleute, fast schon auf Kammerdiener-Niveau. Dann ist allerdings ein anderer Herr über dieses wundervolle Ambiente vorn, wo Walnussholz und Conolly-Leder einander abwechseln.

Dann sind zu jener Zeit nur noch die Tankstopps ein Problem, denn der Tank fasst nur 108 Liter, was bei schneller Fahrt für gut 400 Kilometer reicht. Es wäre doch zu peinlich, wenn man samt Chauffeur mit einem Rolls- Royce wegen Spritmangel liegen bliebe. Dann würden sich wirklich echte Bewunderung und Schadenfreude im Antlitz der Vorbeifahrenden mischen.








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