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  Rudolf Diesel (2)



Noch einmal bedeutet es zwei Jahre und insgesamt sechs Versuchsreihen, bis es gelingt, dem Motor eine gleichmäßige Leistungsabgabe zu entlocken. Und wer glaubt, der Erfinder sei jetzt am Ziel und sein Leben verlaufe jetzt ruhiger, der ist im Irrtum. Zwar verbreitet sich die Nachricht von dem Motor mit dem enormen Wirkungsgrad um die ganze Welt und die MA(N)*-Aktie erlebt einen Höhenflug, aber gleichzeitig wächst die Schar der Neider. Da gibt es einen Ingenieur der Motorenfabrik Deutz, die jetzt ihre Marktmacht für Benzinmotoren schwinden sieht. Der hat das Prinzip von Diesels Motor schon früher als dieser veröffentlicht und muss mit einem Beratervertrag von einem zermürbenden Patentprozess abgehalten werden.

Denn im Prinzip hat der Theoretiker Rudolf Diesel einen Motor gebaut, der von dem zuvor erteilten Patent abweicht. Dieses geht streng nach den Regeln des Carnot-Prozesses von einer isothermen Expansion (temperaturkonstante Ausdehnung) im Arbeitstakt mit auch heute noch nahezu unrealisierbaren Drücken aus. Der eigentliche Dieselmotor aber hat eine (im Prinzip) isobare (druckkonstante) Expansion. Das ist durch das ursprüngliche Patent nicht mehr gedeckt.

Zu den technischen Problemen kommen also die kaufmännisch-rechtlichen Patentverhandlungen. Zusätzlich sind da noch viele Vorträge und Reisen. Wieder leiden die Familie und seine Gesundheit. Der Verkauf der Rechte bringt eine Menge Geld zusammen. Allein für die amerikanischen Lizenzrechte wird angeblich 1 Mio. Mark gezahlt. Diesel ist ein geachteter Mann, wohin er auch kommt. Ehrungen wie der Ehrendoktor der Universität München kommen hinzu. Die MA(N)*-Ingenieure müssen den Motor selbst zur Serienreife bringen.

Was vielleicht weniger bekannt ist: Rudolf Diesel hat in der Theorie schon viel weiter gedacht, und dazu auch schon Forschungsarbeiten geleistet. Nach Galizien reist er auf der Suche nach kostengünstigerem Kraftstoff. Er weiß, dass sein Motor zwar für den Stationärbetrieb und für die Eisenbahn interessant ist, aber Schiffe brauchen mehr Kraftstoff und da ist Petroleum zu teuer. Diesel testet Schweröl, eine Art Abfallprodukt des Erdöls und hat damit Erfolg. 1913 erlebt er noch mit, wie das erste größere Schiff mit einem Dieselmotor statt der Dampfturbinen über den Ozean fährt.

Bezeichnend für alles das, was schief läuft, ist wohl der Nervenzusammenbruch 1898 mit anschließendem Klinikaufenthalt. Obwohl er mehrere Millionen einnimmt, hört er auf falsche Ratgeber und verliert einen Teil seines Vermögens. Ab 1901 bewohnt die Familie eine Villa im vornehmen Münchener Stadtteil Bogenhausen. 1903 erscheint sein Buch "Solidarismus, natürliche wirtschaftliche Erlösung der Menschen", mit dem er seiner Sehnsucht nach einer besseren Welt nachgeht. Kein Verleger findet sich und auch die kostspielige Eigenproduktion ist zur Erfolglosigkeit verdammt.

Rudolf Diesel hat seine Erfindung offenbar wenig Glück gebracht. Sein Motor wird zwar auf der Pariser Weltausstellung von 1900 mit der Goldmedaille geehrt, der weltweite Ruhm bringt aber nicht mehr genügend geschäftlichen Erfolg. Der Erfinder ist offensichtlich nicht zufrieden mit dem Erreichten. Hinzu kommen die erzwungenen, aber eigentlich nicht gerechtfertigten Vergleiche bei Patentstreitigkeiten und die Anfeindungen von bestimmten Kollegen. Inzwischen sind seine Einnahmen so rückläufig, dass er wieder ein bescheideneres Leben für sich und seine Familie plant.

Über seinen Tod 1913 führt die Motivsuche zu unterschiedlichen Ergebnissen. Unzweifelhaft ist, dass Rudolf Diesel auf einem Fährschiff nach England in der Nacht von Bord geht und die Leiche im Wasser treibend etwa eine Woche später gefunden wird. Sie ist zwar stark entstellt, aber die beigeführten Sachen können vom Sohn identifiziert werden. Fraglich ist, wie er zu Tode kam. Es gibt die Selbstmordtheorie, begründet durch den sich anbahnenden geschäftlichen Misserfolg, die beruflichen Angriffe und den Gesundheitszustand.

Aber auch die Befürworter der Mordtheorie haben überzeugende Argumente. Immerhin ist er nicht allein unterwegs, hat mit Freunden gerade in bester Stimmung zu Abend gegessen. Auch in seiner Kabine finden sich Details, die man so nicht hinterlässt, wenn man über Bord gehen will. Und das Motiv für den/die Mörder? Das könnte sich in der Politik finden. Immerhin führt in dieser Zeit der Aufrüstung der deutsche Kaiser Wilhelm II gerade mit dem britischen Empire einen Machtkampf um die stärkste Seemacht der Welt, wird diesen aber nicht gewinnen. Diesel lehnt den Einsatz seiner Motoren zu (auch deutschen) Kriegszwecken zwar ab. Für die deutschen Militärs wäre es äußerst ungünstig, wenn Rudolf Diesel den Briten weitere Patente verkaufen würde.

Selbsttötung oder Mord, Diesel hat den Sieg des Dieselmotors im Bereich der Straßenfahrzeuge nicht mehr erlebt. Er sah den Beginn der Entwicklung bei Lokomotiven und Schiffen. 1912 wird die immerhin 117 Meter lange Selandia fertiggestellt, das erste Frachtschiff mit Dieselmotor. Zwei von ihnen treiben es mit je 919 kW (1.250 PS) an. Es soll allerdings noch 20 Jahre dauern, bis der Dieselmotor in der Schifffahrt seinen Durchbruch erlebt.

Der Boom auf der Straße kommt mit Macht erst nach 1945. Wahrscheinlich hätte Rudolf Diesel auch noch bei der Einführung des Direkteinspritzers gejubelt, denn diesen Entwicklungsschritt hat er schon damals vorhergedacht. Entsprechende Skizzen von ihm weisen darauf hin. Und wenn Sie glauben, die Umstellung der Dieselmotoren auf Rapsöl oder Sunfuel sei Neuland, auch dazu hat der Erfinder schon Versuche durchgeführt. Angeblich ist der in Paris 1900 vorgeführte Motor mit Erdnussöl gelaufen. 09/13
*erst ab 1898 Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG

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