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Geschichte-Fahrwerk 2



Radführung nennt sich der facettenreichste Teil der Fahrwerksentwicklung. Er hat mit der Entwicklung der Federung zu tun, oder vielleicht eher umgekehrt. Starre, blattgefederte Vorder- und Hinterachse halten sich bis in die 30er des vorigen Jahrhunderts nahezu unangefochten. Die langsam anlaufende Entwicklung des Frontantriebs zwingt zu ersten Änderungen. Die Vorderachse wird auf Einzelradaufhängung umgestellt und das auch vom Premium- zum Niedrigpreissegment langsam und stetig für alle Antriebsarten.

Vereinzelt gibt es sie schon vorher, wie beim berühmten Lambda von Lancia. Aber einzelne Hersteller haben an der starren Vorderachse noch bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg festgehalten. Dann ist aber endgültig Schluss damit. Egal ob zunächst Hinter- oder später Vorderradantrieb, es dominiert zunächst der doppelte Querlenker und mit der Entwicklung entsprechender Dämpfer und der größeren Mittragefähigkeit der Karosserie das McPherson-Federbein, zumindest bei den etwas leichteren Autos.

Mit der Hinterachse ist das schon schwieriger. Klar, bei Frontantrieb läuft sie nur mit und kann alle möglichen Formen annehmen, häufig natürlich die der leichten Starrachse. Aber Frontantrieb gibt es in den 50ern fast nicht und der Mini verbreitet diesen erst Anfang der 60er ein wenig. So dominiert die blattgefederte Starrachse bei bestimmten Massenmarken noch einige Zeit. Selbst die ersten Rennwagen der erst nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Marke Ferrari beruhen noch auf dieser Konstruktion. Ein Premium-Mercedes unterscheidet sich davon durch eine mit besonders niedrigem Gelenk versehene Pendelachse.

Natürlich gibt es zu der Zeit viele Fahrzeuge mit Heckmotor, deren angetriebene Hinterachse ebenfalls auf dem Prinzip der Pendelachse beruht, aber natürlich mit zwei Gelenken. Vorne unterscheidet sich der VW Käfer grundlegend von allen anderen durch zwei kurze Längslenker, eigentlich Kurbellenker genannt. Und da wir schon bei den Besonderheiten sind, hat der Citroën 2 CV vorn ähnliches, nämlich je einen geschobenen Längslenker. Aber der ist, obwohl eine Vorkriegskonstruktion, schon schraubengefedert, was man natürlich vom drehstabgefederten VW nicht behaupten kann.

Also es gibt sehr viele kleinere Fahrzeuge mit Heckmotor und ganz wenige mit Frontantrieb. Der wohl von Chrysler in der 30er Jahren entwickelte Doppelquerlenker (Bild 3) dominiert in allen Fahrzeugen außer Käfer und 2 CV. In den 60ern ist eine leichte Korrektur an den hinterradgetriebenen Starrachsern zu beobachten. Durch die Bank stellen spätestens jetzt alle von Blatt- auf Schraubenfedern um. Bei der Achsführung gehen die Meinungen von Schubstück an der Kardanwelle bis zu vier Längslenker auseinander. Unterschiedlich ist z.T. auch die seitliche Führung durch Panhardstab oder Dreieckslenker (Alfa).

Sportwagen wie z.B. der Jaguar E und seine Limousinen haben Einzelradaufhängung, wenn auch in diesem Fall jedes Hinterrad durch einen Lenker und die Antriebswelle geführt wird. In den Siebzigern feiern die Schräglenker hinten, obwohl schon viel früher von BMW eingeführt, ihren endgültigen Durchbruch. Immer noch gibt es anfangs viel zu wenig Fronttriebler, aber das ändert sich zunächst durch britische und dann massiv durch französische Einflüsse. Mitte der 70er zieht auch der VW-Konzern nach und setzt mit der leichten Verbundlenkerachse einen wahren Knüller in die Welt, der in der Folge von beinahe allen Kompaktwagen kopiert wird, sogar von den Vorreitern aus Frankreich.

Eine wichtige Entwicklung sollte nicht vergessen werden, das gummigekapselte Kugelgelenk. Es revolutioniert die gelenkte Vorderachse, lässt uns das Abschmieren vergessen und reduziert durch Wegfall von Achsschenkeln die ungefederten Massen. Auch muss auf die Entwicklung verschleißfester homokinetischer Antriebswellen hingewiesen werden, ohne die das geballte Auftreten des Frontantriebs und auch der Einzelradaufhängung von Hecktrieblern nicht möglich gewesen wäre. Übrigens verschwindet der Heckmotor in dieser Zeit und bleibt nur noch als Schwarm von 911-Käufern mit Macht erhalten. Die Techniker dort finden dann auch Mittel und Wege, diesem Konzept trotzdem die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten.

Ach ja, eine Sonderbauweise hätte ich jetzt beinahe vergessen. Um größeren Wagen die Vorteile der geringen ungefederten Massen zu ermöglichen, gibt es z.B. beim großen Opel im Umbauverfahren die DeDion-Achse. Es ist eines ihrer letzten Comebacks, denn der Zug geht eindeutig in Richtung Mehrlenker hinten, übrigens inzwischen auch für Fronttriebler. Das hängt auch ein wenig mit der Verlagerung des Tanks aus Sicherheitsgründen unter die Rücksitzbank zusammen. Da bleibt für Schräglenker weniger Platz. So sind wir dann beim fast vollständig programmierbaren Fahrwerk angekommen, besonders hinten, wegen des optionalen Allradantriebs auch bei Fronttrieblern.

Vieles blieb jetzt in dieser kurzen Zusammenfassung unerwähnt. Denn die Fettpresse konnte auch wegen der zumindest beim Serienfahrzeug vollständigen Lagerung in Gummi- oder besser in Spezial- Kunststoffbuchsen zur Seite gelegt werden. Zusammen mit eventuellen Hilfsrahmen schaffen diese eine fast vollständige Entkoppelung des Fahrwerks vom Rest der Karosserie. Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts werden diese auch Silentbuchsen genannten Lager mit über den Umfang verteilt unterschiedlichen Eigenschaften versehen, was unterschiedliche Effekte vom Ein- zum Ausfedern hat.

Heute kann man fast jede Straße bzw. Rennstrecke im eigenen Teststudio reproduzieren. Man greift über Datensätze auf riesige Erfahrung zurück. Das ist in den Siebzigern noch anders. Da bemüht man sich, durch Filme aus dem Versuchsbereich die Vorteile des negativen Lenkrollradius deutlich zu machen. Zwar sind auch heute noch jede Menge Testkilometer nötig, aber die Chance auf ein völlig verkorkstes Fahrwerk ist wesentlich kleiner geworden. Bei Sportwagen scheinen bei den Tester sogar die Eigenschaften eines Fahrwerks mit abgeschaltetem ESP besonders im Vordergrund zu stehen. Wohl keine Chance für die Hersteller, die Abschaltmöglichkeit einfach wegzulassen und nur für Rennzwecke zu aktivieren.

Womit wir bei der Elektronik wären. Die hat inzwischen das Fahrwerk ebenso im Griff wie die anderen Bereiche des Autos. Dämpferhärte , Vorspannung der Federung, passives oder gar aktives ESP, haben wir noch etwas vergessen? Ja sicher, jede Menge z.B. für die Bergabfahrt eines Geländewagens, das Anhalten bei Bergauffahrt, die Schleudersicherheit bei Hängerbetrieb, um nur noch ein wenig mehr zu nennen. Eigentlich hätte auch das ABS-System in dieser Aufzählung einen Ehrenplatz verdient, denn es ist mehr eine Lenk- als eine Bremshilfe. Ansonsten halten wir aber für die Bremsanlage eigene Kapitel bereit. 03/17


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